die tageszeitung
- 19.10.2013
Keine Hilfe mehr bei Formularen
VON GERNOT KNÖDLER
Wer
heute seinen Hartz-IV-Bescheid nicht versteht und findet, das Jobcenter
verweigere ihm Leistungen, kann sich an die Arbeitslosen-Telefonhilfe
(ATH) wenden. Der Hamburger Verein schaut sich den Bescheid an,
übersetzt oder erläutert ihn und gibt dem Antragsteller Tipps, wie er
sich wehren kann. Nach den Vorstellungen der Sozialbehörde soll damit
bald Schluss sein. "Die Unterstützung bei der Antragstellung und das
Erklären von Bescheiden sind Aufgaben des Jobcenters", heißt es in einer
Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft. Dass vom Senat bezahlte
private Träger die gleiche Aufgabe übernähmen, sei unnötig.
Kai
Voet van Vormizeele, Geschäftsführer der Telefonhilfe, hält das für
blauäugig. "Wenn die Jobcenter nicht mehr weiter wissen, schicken sie
die Leute zu uns", sagt er. Und Renate Schumak von der Solidarischen
Psychosozialen Hilfe Hamburg (SPSH) kritisiert: "Die Begründung, man
wolle Parallelstrukturen vermeiden, ist geradezu zynisch." Oft genug
ließen die Jobcenter es an Respekt den Hilfebedürftigen gegenüber
fehlen, oft genug legten sie die rechtlichen Vorgaben falsch aus.
Die
Frage, zu welchen Themen Vereine wie die ATH oder die SPSH beraten
dürfen, ist Gegenstand eines Reformpakets, mit dem die Sozialbehörde die
psychosoziale Betreuung für Langzeitarbeitslose neu ausrichten möchte.
Bereits 2008 hatte der Rechnungshof moniert, dass sich der Senat um
Dinge kümmere, für die er nach Hartz-IV-Reformen der Schröder-Regierung
gar nicht zuständig sei.
Demnach habe der
Stadtstaat nur Langzeitarbeitslose zu betreuen und nicht alle
Arbeitslosen. Zudem sei er nur für deren psychosoziale Betreuung
zuständig, müsse also nur helfen, deren allgemeine Lebensführung zu
verbessern, um sie für den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Fragen zur
Arbeitslosenunterstützung oder zu Schulden gehörten nicht dazu. Hierfür
gebe es andere Institutionen.
Die Träger der
Beratung befürchten, dass die vorgeschlagene Neuregelung ihre Arbeit
gefährdet: Wenn nur noch Langzeitarbeitslose beraten werden dürften, sei
keine vorbeugende Arbeit mehr möglich, kritisiert die SPSH. Dass
Ratsuchende die Zustimmung des Jobcenters einholen müssten und die
Beratungsstellen ihre Arbeitsergebnisse an das Jobcenter rückmelden
müssten, untergrabe das Vertrauen in die Beratung. In den Gesprächen
gehe es um Themen wie die Gesundheit, die Psyche und Beziehungsprobleme.
"Das sind alles Dinge, die man nur besprechen kann, wenn man das
Vertrauen hat, dass es vertraulich bleibt", sagt Renate Schumak von der
SPSH.
Ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber
dem Jobcenter hält der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jens-Peter Schwieger
für unbegründet. Seine Fraktion hat die Reform parlamentarisch ins
Rollen gebracht. Das Jobcenter habe das Recht zu erfahren, ob die
psychosoziale Beratung bei einem Klienten fruchte.
"Wichtig
für uns ist, dass die Zuwendungen nicht verringert werden und dass es
weiterhin eine offene Eingangsberatung gibt", sagt Schwieger. Das
schließe im ersten Schritt auch ALG-I-Empfänger ein. Die endgültige
Beratung müsse sich aber auf ALG-II-Empfänger beschränken. Am kommenden
Mittwoch diskutiert die Bürgerschaft die geplante Reform.
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