Verfasst am 15. Oktober 2014 - 8:48
Wir dokumentieren einige Fälle und Verläufe aus dem Jahr 2014.
Von Simone Rafael
In der "Alternative für Deutschland", so betonen Funktionsträger der Partei, sei kein Platz für Rechtsextreme. Nichts desto trotz sehen das deutschlandweit einige Rechtsextreme anders. AfD-Chef Bernd Lucke spricht von „relativ vielen Einzelfälle“ (BAMS, FAZ). Wir haben ein paar zusammengetragen, vornehmlich aus den letzten Monaten.
Mitglieder aus rechtsextremen Vereinigungen
NPD:
- Björn J. Neumann kandidierte 2011 in Hamburg bei der
Bürgerschaftswahl für die NPD, ist jetzt bei der AfD –
Parteiausschlussverfahren läuft (bnr).
- Martin Hering, im September 2014 noch AfD- und NPD-Mitglied,
Betreiber eines „nationalen Versandhauses“. Soll jetzt aus der AfD
ausgeschlossen werden. (Störungsmelder).
- Richard Jürgen Uhlemann aus Dippoldiswalde war ebenfalls Mitglied der NPD und langjähriges Fördermitglied der AfD. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen (Störungsmelder).
-
Sven Schröder, heute für die AfD im Brandenburger Landtag (BILD)
- Hans Holger M., Mitglied AfD Sachsen, war in den in den 1990er-Jahren in der rechtsextremen "Wiking Jugend" aktiv war (Anonymous Austria)
- Paul M., Musiker der Band „Blitzkrieg“ mit eigenem Label, gegen den auch in „Blood & Honour“-Zusammenhängen ermittelt wurde, ist Mitglieder AfD Zwickau (Anonymous Austria). Inzwischen hat er die Partei verlassen.
- Sven Asmus betreibt „Rottweiler Ink“, einen in der rechten Szene beliebten Bekleidungsversand, und ist AfD-Mitglied im Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (Störungsmelder)
- In Dresden besucht AfD-Mitglied Sören Oltersdorf eine
Veranstaltung der NPD-Parteijugend „JN“ - Parteiausschlussverfahren
wurde beantragt (Chronikle.org, mdr).
- Die AfD-Kreistagsfraktion im Landkreis Nordwestmecklenburg
verweigerte im August 2014 eine gemeinsame Erklärung der anderen
Fraktionen gegen die NPD (ER).
- Im Landkreis Vorpommern-Greifswald stimmen drei AfD-Vertreter allen
von der NPD-Fraktion eingebrachten Anträgen zur Asylpolitik zu. Das
Greifswalder AfD-Mitglied Gunter Jess unterstützte den Antrag sogar
inhaltlich in einer Rede und verteidigte ihn (OZ).
- Oktober 2014: Zwei Mitglieder der Duisburger AfD-Fraktion im Stadtrat stimmen offen für NPD- und ProNRW-Vertreter bei der Ausschuss-Besetzung. Sie wählten "Pro-NRW"-Chef Mario Malonn ins höchste Sicherheitsgremium der Stadt, den Polizeibeirat, der nun an vertrauliche Informationen der Polizei kommt, etwa Sicherheitslagen, Problemfälle unter Zuwanderern und Anmeldungen von Demonstrationen. In Gelsenkirchen funktionierte das Bündnis andersherum, hier wurde AfD-Mann Hartmut Preuß mit den Stimmen von "Pro NRW" in den Polizeibeirat gewählt (RP). Der AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell fordert den Fraktionsvorsitzender Holger Lücht daraufhin zum Parteiaustritt auf. Der ist sich aber keiner Schuld bewusst und will sein Amt nicht aufgeben. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Alan Imamura ist dagegen von allen Parteiämtern zurückgetreten (WAZ, II). Im Gelsenkirchener Stadtrat stimmte ein AfD-Mitglied mit ProNRW (DerWesten).
- Oktober 2014: Jan-Ulrich Weiß, Nachrücker für die AfD in den
Brandenburger Landtag, veröffentlicht auf Facebook eine antisemitische
Karikatur, die an die Legende der jüdischen Weltverschwörung anknüpft (JA). Fraktionsausschluss beantragt – in den Landtag will Weiß nun als fraktionsloser Abgeordneter einziehen.
- Oktober 2014: Die Staatsanwaltschaft Rostock hat den AfD-Landeschef
von Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe, wegen Volksverhetzung
angeklagt. Arppe hat laut der Anklage im Kommentarbereich der
rechtsextremen Online-Plattform „Politically Incorrect“ jahrelang zu
Gewalt gegen Muslime aufgerufen, gegen Ausländer gehetzt und
demokratische Politiker beleidigt. Er habe dafür das Pseudonym
„antaios_rostock“ benutzt. Seit Bekanntwerden der Anklage Ende voriger
Woche versucht der AfD-Bundesvorstand, Arppe zum Rücktritt zu bewegen –
der nennt die Anschludigen „haltlos“ und „politisch motiviert (ksta).
- 08.10.2014: Zwei Mitglieder des Landesvorstands in Sachsen-Anhalt
verbreiten und liken auf Facebook Verschwörungstheorien,
Tötungsfantasien gegen US-Präsident Obama und die Verharmlosung des
Holocaust. Der Magdeburger Beisitzer Jobst von Harlessem teilt die
Inhalte, seinem Vorstandskollege Dirk Hoffmann gefällt das. Der
Bundesvorstand nennt die Äußerungen eines AfD-Mitglieds unwürdig.
AfD-Landeschef Poggenburg geht auf Distanz, hält seine Vorstandskollegen
aber weiterhin für tragbar. Interessanterweise war allerdings
Poggenburg schon im April 2014 in die Kritik geraten, weil er einen
herabwürdigenden Beitrag über Michel Friedmann veröffentlicht hatte (mdr, jumpradio, II).
- Oktober 2014: Der AfD-Landtagsabgeordnete in Thüringen,
Thomas Rudy aus Gößnitz klickt auf Facebook auf „Gefällt mir“ bei einem Foto eines Moped mit Seitenwagen, das mit einem Hakenkreuz und einem Hitler-Bild nebst der Bezeichnung "Führer" gestaltet war. Während frühere Mitstreiter im rechtsextermen Tendenzen vorwerfen, spricht er davon, bei Urlaubsbildern eines Bekannten auf „Gefällt mir“ geklickt zu haben, ohne sie wirklich anzusehen (otz).
- Oktober 2014: Auf der Facebook-Seite der "AfD Städteregion Aachen” wird eine rassistische Meldung der Neonazi-Partei "Der III. Weg" geteilt: "Während aber im Merkelland die bundesdeutschen Innenstädte immer öfter zum Austragungsort von multi-kriminellen bürgerkriegsähnlichen Zuständen durch die zahllosen ausländischen Kultur-Entreicherer verkommen, sollen nach dem Willen der Herrschenden nicht enden wollende Summen hart erarbeiteter deutscher Steuergelder im schmutzigen Asyl-Sumpf versinken." (Screenshot bei publikative).
- In ihrer Studie "Die stabilisierte Mitte? Rechtsextreme
Einstellungen in Deutschland 2014" kommen Prof. Dr. Elmar Brähler und
PD Dr. Oliver Decker zu dem Schluss: "Gemessen an der Größe der Parteien
sind die Anteile rechtsextremer Wähler demnach bei AfD und NPD deutlich
größer als bei den Volksparteien. Die Leipziger Forscher kommen zu dem
Schluss, dass fast jeder dritte AfD-Wähler chauvinistisch und jeder
zweite ausländerfeindlich sei." Ihr Mitarbeiter Johannes Kiess stellt
fest: "Es fällt allerdings auf, dass die stärkste Anziehungskraft bei
den Wählern mit einer ausländerfeindlichen, antisemitischen und
chauvinistischen Einstellung neben den rechtsextremen Parteien die AfD
hat." (PM)
- Das Forsa-Institut beschäftigte sich nach der Landtagswahl in Sachsen mit der Frage, wer die AfD wählt. Von AfD-Sympathisant_innen schätzten sich dabei 28 Prozent als "politisch rechts" ein - bei Anhänger_innen rechtsextremer Parteie sind das 61 Prozent. Trotzdem sieht die Studie des Forsa-Instituts, dass AfD und rechsextreme Parteien ähnliche Themenfelder bearbeiten: "Die Trennungslinie zwischen den beiden Lagern ist die soziale Schichtzugehörigkeit", sagt Forsa-Chef Güllner, "Anhänger der AfD stammen eher aus der Ober- und Mittelschicht mit relativ hohem Einkommen und entsprechend hoher Schulbildung, während Sympathisanten der rechtsextremen Parteien dagegen überwiegend aus den unteren sozialen Schichten mit geringem Einkommen und geringer Schulbildung kommen." Nach den AfD-Erfolgen bei Europa- und Landtagswahlen sei aber auch bei der AfD ein Zulauf aus den unteren sozialen Schichten zu beobachten (stern).
Der AfD-Vorsitzender Bernd Lucke hat inzwischen nicht nur gegenüber der Bild am Sonntag die "relativ vielen Einzelfälle" zugegeben, sondern kurz zuvor auch einen Brief zum Thema an alle AfD-Mitglieder verfasst. Darin schreibt er laut ksta.de: „Bei allem Erfolg, den wir nach außen hin haben, geben einige Entwicklungen in der Partei Anlass zur Sorge.“ Die AfD dürfe „nicht den Schatten eines Zweifels daran lassen, dass politischer Extremismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und religiöse Intoleranz mit dem Gedankengut der AfD als demokratischer Rechtsstaatspartei unvereinbar sind.“
Aber warum fühlen sich Menschen mit rechtsextremem Weltbild bei der AfD so zu Hause? Und was ist mit den Mitgliedern rechtspopulistischer Vorläufer-Parteien? Dazu morgen mehr.
http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/was-ist-eigentlich-rechtsextrem-der-afd-9749
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