Seit
Anfang des Jahres gibt es eine
andauernde Debatte über „Armutsmigration“ aus
Südosteuropa. Roma aus der
bulgarischen Stadt Plovdiv haben nun einen offenen
Brief an die
deutsche Politik geschrieben. Darin erklären sie:
Sie fühlen sich von der
Diskussion über "Sozialtourismus" in Deutschland
stark getroffen. Der
Grund, warum einige nach Deutschland kommen: Sie
müssten ein paar Monate im
Jahr im Ausland arbeiten, um ihre Familie zu
ernähren. Das deutsche
Sozialsystem sei dagegen kein Anreiz.
Stolipinovo, im Nordosten der zweitgrößten
Stadt Bulgariens Plovdiv,
gilt als größte Roma-Siedlung im Südosten Europas.
Immer mehr ziehen von hier
in den Westen: neben London und Paris in letzter Zeit
auch nach Dortmund. Der
nordrhein-westfälische Stadtsoziologe Sebastian
Kurtenbach hat nach einem
Besuch in Stolipinovo einen offenen
Brief mitgebracht,
den der Mediendienst Integration veröffentlicht. Darin
wollen die bulgarischen
Roma ihren Standpunkt klarmachen:
"In Deutschland ist die Rede von
Sozialtourismus und organisierter
Kriminalität“, heißt es darin, „doch der Blick auf die
Realität bleibt auf der
Strecke. […] Niemand von uns verlässt gerne seine
Familie, sein Haus, seine
Heimat, um in einem fremden Land zu arbeiten. Dennoch:
im Gegensatz zu unserer
Heimat finden wir dort Arbeit. […] Uns bleibt oftmals
nur die Chance,
wenigstens für ein paar Monate im Jahr im europäischen
Ausland zu arbeiten, um
unsere Familien zu ernähren.“
Kurtenbach erklärt: “Als ich den Menschen in
Stolipinovo über die
Debatte in Deutschland zu Armutsmigration erzählte,
waren sie sehr überrascht.“
Insbesondere wunderte sie die Vorstellung, sie würden
nach Deutschland ziehen,
um Sozialleistungen zu beantragen. "Fast niemand in
Stolipinovo hat jemals
etwas von Sozialleistungen gehört", so Kurtenbach.
Die Roma aus Stolipinovo verstehen offenbar
auch die Bedenken der
Deutschen: "Wir sehen ebenso wie Sie, dass die
Probleme vor Ort,
beispielsweise in Stolipinovo, gelöst werden müssen.
Doch sind bislang nicht
mehr als Lippenbekenntnisse übriggeblieben. Niemand
fühlt sich verantwortlich
und auf uns allein gestellt bleibt uns nur die
Möglichkeit, im Ausland zu
arbeiten“, schreiben sie in ihrem Brief. Damit sich
die Situation verbessere,
brauche es Unterstützung der Zivilgesellschaft in
Stadtteilen wie Stolipinovo –
"was bislang nicht geschehen ist".
Inzwischen habe sich – wie im Norden von
Dortmund – ein Aufnahmesystem
entwickelt, das Neuzuwanderern hilft, durch informelle
Kanäle eine
Gelegenheitsarbeit zu finden. "Viele entscheiden sich
für Dortmund, weil
sie wissen, dass es hier eine große türkischsprachige
Community gibt",
sagt Kurtenbach. "In Stolipinovo sprechen die meisten
kein Romanes,
sondern Türkisch. Deshalb ist es für sie in den
bestimmten Stadtteilen
einfacher, Kontakte zu knüpfen.“
Mehr Informationen finden Sie in unserem Artikel dazu.
Der
Mediendienst Integration ist
ein Service für Medienschaffende und bietet aktuelle
Informationen
rund um die Themen Migration, Integration und Asyl
in Deutschland.
Auf unserer Internetseite finden Sie
einen Überblick über
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