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Von Pauline Schmidt
Die "Alternative für Deutschland" (AfD) präsentiert sich
vordergründig als reine Anti-Euro-Partei. Offene Kritik erntete sie bis
dato in erster Linie für ihr recht lasches Vorgehen bei der
Durchleuchtung früherer Parteiaktivitäten ihrer Mitglieder. Zur
Bundestagswahl trat die AfD in allen 16 Bundesländern an und stellte in
153 der 299 Wahlkreise Direktkandidatinnen und Direktkandidaten. Auch
die inzwischen berühmt-berüchtigte Facebookseite der AfD zeigt deutlich,
dass es innerhalb der Partei Tendenzen zu Rassismus und Beleidigungen
Andersdenkender gibt. Mit Andreas Kempers Partei-Analyse werden nun
Entstehungsgeschichte, Mitglieder und mögliche Weiterentwicklungen der
AfD genauer durchleuchtet. Hier zeigt sich anschaulich, dass die
Euro-Kritiker neben den parteiintern so oft hervorgehobenen
Wirtschaftsprofessoren auch deutliche Verknüpfungen mit dem Netzwerk
Zivile Koalition e.V. und teils politisch fragwürdigen Gruppen und
Bewegungen haben.
Wo kommen sie her, wo gehen sie hin?
In der AfD bündelt sich laut Kempers Analyse ein Zusammenschluss
verschiedener Netzwerke. Da wären zum einen reiche
Familienunternehmerinnen und Unternehmer, die sich durch CDU und FDP
nicht ausreichend vertreten sehen, marktradikale
Volkswirtschaftsprofessoren, der Bürgerzusammenschluss Zivile Koalition
und die Lobbyorganisation BürgerKonvent. Dazu gesellt sich eine breite
Masse an Bügerinnen und Bürgern, die sich in ihrer gesellschaftlichen
Ausrichtung am rechten Rand bewegen und ohne weiteres als Sarrazin-Fans
bezeichnet werden können. Dies zusammengenommen bildet die Basis der
AfD, so Kemper.
Die Ausführungen des Soziologen zeigen, dass man sich auch innerhalb
der Partei personell auf fragwürdigem Terrain bewegt. Beatrix von
Storch, Direktkandidatin der AfD für Berlin-Mitte, gründete Ende 2006/
Anfang 2007 mit ihrem Mann Sven von Storch die Zivile Koalition e.V.
Ebenfalls dabei war der ehemalige FAZ-Redakteur Klaus Peter Krause,
welcher sich in jüngster Zeit vor allem dadurch auszeichnete,
würdigend-positive Rezensionen über Bücher zu verfassen, in denen eine
Rückkehr zur Monarchie gefordert wird. Von Storch ihrerseits kämpft mit
Hilfe der "Zivilen Koalition" gegen die, wie sie es nennt,
"Minderheiten-Lobby" der Lesben und Schwulen. Vorstandmitglied Konrad
Adam forderte schon mehrfach die Abschaffung des Wahlrechts von
Arbeitslosen und anderen Bevölkerungsgruppen, die direkt durch den Staat
finanziert werden und daher in ihrer Wahlentscheidung zu stark
beeinflusst seien. Abgeschafft werden soll also in erster Linie nicht
nur der der Euro, sondern der Sozialstaat an sich. Der Fokus der Partei
liegt so auf einer, wie der wissenschaftliche Berater Roland Vaubel es
nennt, "unternehmerfreundlichen Demokratie", die zu Lasten finanziell
schwacher Kreise agiert, um Privilegien zu festigen.
Vielfalt ist unerwünscht
Auch die NPD spendete der AfD zu ihrem klar rassistischen Slogan
"Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung" Zuspruch. Der Spruch
war auf der Facebook-Seite der Partei gepostet worden, nach starker
Kritik dann schnell gelöscht worden. NPD-Pressesprecher Frank Franz
bescheinigte der Alternative für Deutschland "eine lobenswerte
Türöffner-Funktion", die der NPD "zum jetzigen Zeitpunkt" noch fehle.
Eine Einschätzung, die in der heißen Wahlkampfphase ins Gegenteil
gekehrt wurde. Als die ersten Prognosen die junge Partei als reale
Konkurrenz im eigenen rechts angesiedelten Wählerkreis präsentierten,
deklarierte die NPD die AfD auf ihrer Homepage als "nicht wählbar". Zu
uneinheitlich sei die Euro-Linie einiger Parteimitglieder und zu
anbiedernd das Verhalten gegenüber CDU und FDP, so die Erklärung der
rechtsextremen Partei, die anscheinend Angst vor Stimmenklau hatte.
In gesonderten Kapiteln behandelt Kempers "Rechte Euro-Rebellion"
besonders bedeutsame Ideologiefragmente der AfD. "Alternativen zur
Demokratie" bespricht den Wunsch der Parteimitglieder nach einer
Umstrukturierung des bestehenden Systems, bei der sozial schwächere
Schichten möglichst wenig Einfluss haben, "Familialismus" das
innerparteiliche Streben hin zum traditionell-konservativen
Familienidyll, während abweichende Lebensweisen stark diskriminiert
werden. "Sozialabbau" wiederum geht auf die Forderungen der Alternative
für Deutschland nach starken Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen
für schlechter verdienende Bevölkerungsgruppen und eine erweiterte,
steuerliche Förderung von Besserverdienenden ein– alles stark geprägt
von rassistischen und klassistischen Vorurteilen. In seinen Ausführungen
über "Hartgeld-Essentialismus" schließlich zeigt Kemper die Tendenz der
Euro-Kritiker, Geld ohne seinen sozialen Bezug zu sehen und es zu einem
Wert an sich zu erklären.
Homophobie und Demokratiefeindlichkeit im bürgerlichen Deckmantel
Neben diesen Fakten zeichnet sich die AfD vor allem durch ihr starkes
Rütteln an Demokratie, Wahlrecht und Antidiskriminierungsrichtlinien
aus. Die sogenannte "Unterschicht" wird hier als Kostenfaktor
wahrgenommen. Einige der Professoren, die aktuell für die AfD
kandidieren, waren 2005 am sogenannten "Hamburger Apell" beteiligt.
"Rechte Euro-Rebellion" zeigt auf, wie sich hierbei klar gegen
Lohnerhöhungen und für weitere soziale Einschnitte und eine Verschäfung
von Hartz IV ausgesprochen wurde.
Die Gruppe um Bernd Lucke, Alexander Dilger, Jörn Kruse, Joachim
Starbatty, Roland Vaubel und Hans Olaf Henkel strukturiert die Partei
auf allen Ebenen. Henkel setzt sich in seiner Tätigkeit als Berater der
Bank of America dafür ein, dass sogenannte "Redlining"
wiedereinzuführen: Ärmere Stadtviertel sollen hierbei durch "Rote
Linien" markiert und als nicht-kreditwürdig eingestuft werden. Eine
solche "Rote Linie" soll auch mit dem Nord-Euro und dem Süd-Euro gezogen
werden. Es geht darum, klar auszugrenzen.
Politik im Sinne der Eliten
Ein weiteres Thema, das Grund zur Sorge gibt, ist das Wahlrecht.
Kempers Veröffentlichung leistet hier eine genaue Analyse. Vor allem die
arbeiterkinderfeindlichen Aussagen von Roland Vaubel und Konrad Adam
zur Bildungspolitik sollten allgemein kritische Beachtung finden. Adam
hatte in einem Artikel Bezug auf eine Forderung André Lichtschlags
genommen, die schon lange von Anhängern des österreichischen Ökonomen
und Sozialphilosophen Friedrich Augusts von Hayek gestellt wird. Dieser
regte in seinem Hauptwerk unter dem Kapitel "Der Wert der Freiheit" an,
Personen, die ihren Lebensunterhalt durch staatliche Transferleistungen
bestreiten, vom Wahlrecht auszuschließen. Laut Kemper unterstreicht Adam
nun besonders, dass es nicht sinnvoll gewesen sei, das Wahlrecht von
Eigentum zu entkoppeln, da dadurch "die Passiven die Aktiven bremsen"
würden.
Neben der Verfassungsfeindlichkeit solcher Aussagen bedeutet diese
auch, den Wert des Menschen und seine aktive Teilnahme an der
Gesellschaft lediglich auf seinen finanziellen Status aufzubauen und ein
politisches Mitspracherecht gegebenenfalls auch zu entziehen. Immer
wieder formuliert die AfD deutlich, dass bestehende System habe sich an
die Interessen finanzieller Eliten anzugleichen. Privilegien und die
ökonomische, gesellschaftliche und politische Teilhabe der großen
Mehrheit sollen zurückdrängt werden. Teile der Partei sind hinsichtlich
ihrer Sozialpolitik mit der US-amerikanischen "Tea Party" zu
vergleichen, meint Kemper, mit demokratiefeindlichen, homophoben
Tendenzen.
EU-Richtlinien abänderbar machen
Dazu kommen eine Prüfung der Strukturreform der Bundeswehr, die
Änderung der europäischen Euro-Verträge und die Abschaffung des
Gesundheitsfonds. Insgesamt stellen sich die inhaltlichen Positionen der
AfD so gegen Bestehendes.
Die Partei vertritt aktuell offen den Ansatz der Direkten Demokratie.
Dadurch will sie die Möglichkeit haben, Beschlüsse der EU mit
nationalen Abstimmungen rückgängig machen. Dabei steht die Währungs- und
Finanzpolitik im Fokus. In "Rechte Euro-Rebellion" zeigt sich jedoch,
dass solche Gesetzesänderungen ebenso die Europäischen
Antidiskriminierungsrichtlinien in ihrer jetzigen Form aufweichen
könnten. Roland Vaubel fordert, dass die Grundrechte-Charta der EU
abzulehnen sei, weil diese die bürgerliche Freiheit angreife. Genau dort
ist jedoch das Verbot von Diskriminierung festgehalten. Abgeordneter
Hermann Behrendt stellte sein entsprechendes Buch kürzlich online. In
seiner "Abschaffung des Parlamentarismus" lassen sich Begrifflichkeiten
wie "Arbeitsscheue" und "Migration der Falschen" finden. Im Vorwort
schreibt er: "Mein Traum rüttelt an den Prinzipien des Grundgesetzes" –
eine mehr als gefährliche Utopie.
Informieren ist wichtiger denn je
Das Abschneiden der AfD bereitet Sorge. Eine Partei, die mit einer
Kombination aus deutschem Patriotismus und Konstruktionen des "Fremden"
(Migranten) so schnell fast in den deutschen Bundestag eingezogen wäre,
scheint zu bestätigen, dass Phänomene wie Thilo Sarrazin auf fruchtbaren
Boden fallen können. Solche Konstrukte sind brandaktuell und können
rechspopulistischem Gedankengut den Boden bereiten. Aufklärung wird
somit zum wichtigsten Instrument, um mehr Stimmenzuwanderung zu
vermeiden - vor allem mit Blick auf die Europawahl und ihrer
3-Prozent-Hürde. Durch "Rechte Euro-Rebellion. Alternative für
Deutschland und Zivile Koalition e.V.", leistet Andreas Kemper hierzu
einen wichtigen Beitrag.
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