Mein Austritt aus der SPD – Die Konsequenz einer inhaltlichen Entfremdung
Es
gab in der Zeit seit meinem Eintritt im Jahr 2001 sicher schon einige
politische Weichenstellungen, die ich nur schwer mittragen konnte, nicht
zuletzt die Agenda 2010. Doch mit der Erlangung der absoluten Mehrheit
durch die SPD in Hamburg im Jahr 2011 bekam für mich die Unzufriedenheit
mit der SPD-Politik eine neue Dimension: Es kam ein Politikstil hinzu,
den ich in zunehmendem Maß nicht mehr akzeptieren konnte.
Dieser
Politikstil ist gekennzeichnet durch eine Fokussierung auf den Ersten
Bürgermeister und zugleich SPD-Landesvorsitzenden Olaf Scholz, dessen
autoritärer Führungsstil die innerparteiliche Lebendigkeit erstickt.
Partei erschöpft sich hauptsächlich darin, dem zu folgen, was die
SPD-Bürgerschaftsfraktion macht, die wiederum weitgehend dem Senat
folgt. Die SPD in Hamburg hat das Vor- und Weiterdenken eingestellt. Sie
erfüllt ihre Aufgabe der politischen Orientierung kaum noch.
Besonders
deutlich wurde dieser Politikstil der SPD im letzten Jahr bei der
Positionierung gegen die Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz!“.
Entgegen einem Parteitagsbeschluss und dem Wahlprogramm, die eine
Rekommunalisierung der Energienetze zu mindestens 25,1% vorsahen, wurde
daraus ohne innerparteiliche Diskussion auf Ansage von Olaf Scholz hin
eine 25,1%-Beteiligung an den Energienetz-Gesellschaften gemacht – nicht
mehr und nicht weniger. Die Art und Weise, wie diese Positionierung
innerparteilich verfochten wurde, hatte dann noch einmal eine eigene
Qualität – Widerspruch nicht erlaubt. Ich habe mich in aller
Deutlichkeit sowohl gegen diesen Politikstil wie auch gegen die
inhaltliche Positionierung in Sachen Energienetze gewandt. Meine
Überzeugung, dass Öffentliche Daseinsvorsorge in die Öffentliche Hand
gehört, wollte ich nicht über Bord werfen. Bereits hier hat der innere
Bruch begonnen.
Ein
weiterer Baustein in der Distanzierung war die bundespolitische
Entscheidung für eine Große Koalition mit Inhalten, die weit hinter dem
zurückblieben, was im Wahlkampf vertreten wurde. Man nehme nur die
löchrige Regelung des Mindestlohns. Die Chance für einen Politikwechsel
wurde nicht wahrgenommen. Sicher, das Mitgliedervotum war sehr belebend
für die Partei. Eine echte Mitgliederbefragung hätte für mich jedoch
eine offene Abstimmung über verschiedene Koalitionsoptionen beinhalten
müssen, insbesondere über Rot-Rot-Grün. Auch hätte es nicht derart
massive Beeinflussungsversuche seitens des Parteivorstands – sogar mit
Anzeigenschaltung u. a. in der BILD – geben dürfen. Ausschlaggebend ist
am Ende jedoch die Erkenntnis, dass die überwältigende Mehrheit der
SPD-Mitglieder die Große Koalition befürwortet hat. Das brachte einmal
mehr das Gefühl mit sich, in dieser Partei nicht zu Hause zu sein.
Ein
letzter, aktueller Beweggrund ist der Umgang des SPD-Senats mit der
Lampedusa-Gruppe und anderen Flüchtlingen, denen meist Abschiebung
droht. Verbunden damit ist meine Kritik an den restriktiven,
eskalierenden Polizeieinsätzen bei Demonstrationen, den rassistischen
Kontrollen sowie der Einrichtung der Gefahrengebiete. Für mich ist das
in erster Linie eine Politik der Ressentiments – gegen Menschen, die aus
Not unseren Schutz suchen, gegen Menschen, die sich für die in Not
Geratenen einsetzen und sogar gegen völlig unbeteiligte Menschen, die
sich zufällig dort aufhalten, wo eine Gefahr vermutet wird. Die SPD
versteckt sich in der Flüchtlingsfrage hinter „Recht und Gesetz“, obwohl
sie politische Gestaltungsspielräume nutzen könnte. Die SPD Hamburg hat
es versäumt, ein Zeichen der Menschlichkeit zu setzen.
Der
Austritt ist nun die Konsequenz dieser Politik. Da ich ein politischer
Mensch bin, liegt es nahe, weiter politisch aktiv zu bleiben und sich
für eine andere Politik, einen gesellschaftlichen Wandel einzusetzen.
Deshalb habe ich mich für einen Eintritt in die Partei DIE LINKE
entschieden.
Mein Eintritt in DIE LINKE – Was ich bewegen möchte
Die
Linksfraktion in der Bürgerschaft macht meines Erachtens eine sehr gute
Oppositionsarbeit. Sie legt die Finger in die Wunden
sozialdemokratischer Regierungspolitik. Dies geschieht auf Basis linker
Parteipolitik, die immer wieder aufs Neue um Positionierung ringt und
ringen muss, denn Politik ist ein Prozess und muss im Fluss sein.
Zentrales
Thema dieses politischen Prozesses ist die Frage, wie wir der sozialen
Spaltung und Ausgrenzung in Hamburg begegnen können. Soziale Spaltung
kommt in sehr vielen Bereichen zum Ausdruck, wie etwa Zugang zu
öffentlichen Gütern, wie Bildung, Gesundheitsversorgung,
Energieversorgung und Mobilität sowie Schaffung von bezahlbarem
Wohnraum.
Die
Forderungen nach dem, was sein soll, sind schnell erhoben. Doch auf
welchen Wegen sie sich realisieren lassen, ist nicht so schnell
beantwortet. Dies möchte ich an zwei Beispielen verdeutlichen:
Zur
Erreichung bezahlbaren Wohnraums reicht die Steigerung des
Wohnungsbaus, wie sie der SPD-Senat mit den Zielvorgaben für die Bezirke
in erster Linie verfolgt, nicht aus. Der Effekt, wenn er überhaupt
erreicht wird, setzt erst in vielen Jahren ein. Das Angebot an Wohnungen
mit Mietpreisbindung bleibt relativ gering bzw. verringert sich noch.
Viel stärker noch als bisher brauchen wir daher soziale
Erhaltensverordnungen, Umwandlungsverordnungen sowie die Nutzung
städtischer Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau. Doch welche
Sofortmaßnahmen können wir ergreifen? Hier ist es u. a. dringend
notwendig, Sozialbindungen zu verlängern und die Einflussmöglichkeiten
auf SAGA/GWG zu nutzen, um günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Doch welche Zielvorgaben wollen wir genau setzen? Gibt es weitere
Maßnahmen, die sofort wirken? Das sind m. E. Beispiele für
Fragestellungen, die vertieft werden sollten, weil der Faktor Zeit eine
enorm große Rolle für die jetzt betroffenen Menschen spielt.
Der
Landesvorstand hat hier in seiner Positionierung vom 26. August 2012
bereits vieles aufgezeigt. Doch das Thema „Wohnungsnot“ bleibt aktuell
und wir sollten uns weiter damit befassen, um Antworten für die kommende
Legislaturperiode der Bürgerschaft geben zu können.
Beim
Thema „Energiearmut“ sind wir uns alle einig: Das Sperren des Zugangs
ist menschenunwürdig. Wir wollen eine Rekommunalisierung der
Energieversorgung, um das zu verhindern. Doch die Praxis sieht anders
aus: Auch kommunale Energieversorger sperren Zugänge. Eine Ausnahme
bilden etwa die Stadtwerke Köln, die immer eine Mindestmenge an Strom
zur Verfügung stellen. Ansonsten gibt es Pilotprojekte, wie
Energiespar-Checks. Das ist sicher hilfreich, vermittelt aber auch das
Bild eines ALG-II-Empfängers, der nichts Besseres zu tun hat, als
Energie zu verschwenden. Dies ist jedoch durch nichts belegt. In eine
ähnliche Richtung gehen Prepaid-Tarife mit Basisguthaben. Ein generelles
Verbot von Energiesperren allein kann aber auch nicht die Lösung sein.
Es muss Anreize zum Energiesparen und Lösungswege für die Begleichung
der Schulden geben. In diese Richtung geht die Aufforderung der
Linksfraktion Hamburg (Drs. 20/4960, z. B. sozialökologischer Spartarif)
an den Senat, die jedoch nicht aufgegriffen wurde. DIE LINKE in Hamburg
sollte sich daher dieser Fragestellungen weiter annehmen.
Ich
würde mich freuen, wenn ich im kommenden Landesvorstand einen Beitrag
dazu leisten könnte, Antworten auf die drängenden sozialen Fragen dieser
Stadt zu finden.
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