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Dienstag, 8. April 2014

Offener Brief von Roma aus Bulgarien zur Debatte um Armutsmigration: "Niemand von uns verlässt gerne seine Heimat“

(Internat. Roma-Tag: 8.4.)
 
Seit Anfang des Jahres gibt es eine andauernde Debatte über „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Roma aus der bulgarischen Stadt Plovdiv  haben nun einen offenen Brief an die deutsche Politik geschrieben. Darin erklären sie: Sie fühlen sich von der Diskussion über "Sozialtourismus" in Deutschland stark getroffen. Der Grund, warum einige nach Deutschland kommen: Sie müssten ein paar Monate im Jahr im Ausland arbeiten, um ihre Familie zu ernähren. Das deutsche Sozialsystem sei dagegen kein Anreiz. 
 
Stolipinovo, im Nordosten der zweitgrößten Stadt Bulgariens Plovdiv, gilt als größte Roma-Siedlung im Südosten Europas. Immer mehr ziehen von hier in den Westen: neben London und Paris in letzter Zeit auch nach Dortmund. Der nordrhein-westfälische Stadtsoziologe Sebastian Kurtenbach hat nach einem Besuch in Stolipinovo einen offenen Brief mitgebracht, den der Mediendienst Integration veröffentlicht. Darin wollen die bulgarischen Roma ihren Standpunkt klarmachen: 
 
"In Deutschland ist die Rede von Sozialtourismus und organisierter Kriminalität“, heißt es darin, „doch der Blick auf die Realität bleibt auf der Strecke. […] Niemand von uns verlässt gerne seine Familie, sein Haus, seine Heimat, um in einem fremden Land zu arbeiten. Dennoch: im Gegensatz zu unserer Heimat finden wir dort Arbeit. […] Uns bleibt oftmals nur die Chance, wenigstens für ein paar Monate im Jahr im europäischen Ausland zu arbeiten, um unsere Familien zu ernähren.“
 
Kurtenbach erklärt: “Als ich den Menschen in Stolipinovo über die Debatte in Deutschland zu Armutsmigration erzählte, waren sie sehr überrascht.“ Insbesondere wunderte sie die Vorstellung, sie würden nach Deutschland ziehen, um Sozialleistungen zu beantragen. "Fast niemand in Stolipinovo hat jemals etwas von Sozialleistungen gehört", so Kurtenbach.
 
Die Roma aus Stolipinovo verstehen offenbar auch die Bedenken der Deutschen: "Wir sehen ebenso wie Sie, dass die Probleme vor Ort, beispielsweise in Stolipinovo, gelöst werden müssen. Doch sind bislang nicht mehr als Lippenbekenntnisse übriggeblieben. Niemand fühlt sich verantwortlich und auf uns allein gestellt bleibt uns nur die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten“, schreiben sie in ihrem Brief. Damit sich die Situation verbessere, brauche es Unterstützung der Zivilgesellschaft in Stadtteilen wie Stolipinovo – "was bislang nicht geschehen ist".
 
Inzwischen habe sich – wie im Norden von Dortmund – ein Aufnahmesystem entwickelt, das Neuzuwanderern hilft, durch informelle Kanäle eine Gelegenheitsarbeit zu finden. "Viele entscheiden sich für Dortmund, weil sie wissen, dass es hier eine große türkischsprachige Community gibt", sagt Kurtenbach. "In Stolipinovo sprechen die meisten kein Romanes, sondern Türkisch. Deshalb ist es für sie in den bestimmten Stadtteilen einfacher, Kontakte zu knüpfen.“
 
Mehr Informationen finden Sie in unserem Artikel dazu. 
 
Der Mediendienst Integration ist ein Service für Medienschaffende und bietet aktuelle Informationen rund um die Themen Migration, Integration und Asyl in Deutschland. Auf unserer Internetseite finden Sie einen Überblick über neueste Studien und Statistiken. 
 

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