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Donnerstag, 17. April 2014

Entnommen aus: "Netz gegen Nazis" - Alternative für Deutschland: Es geht nicht (nur) um den Euro

http://www.netz-gegen-nazis.de/ 

Von Pauline Schmidt
 
Die "Alternative für Deutschland" (AfD) präsentiert sich vordergründig als reine Anti-Euro-Partei. Offene Kritik erntete sie bis dato in erster Linie für ihr recht lasches Vorgehen bei der Durchleuchtung früherer Parteiaktivitäten ihrer Mitglieder. Zur Bundestagswahl trat die AfD in allen 16 Bundesländern an und stellte in 153 der 299 Wahlkreise Direktkandidatinnen und Direktkandidaten. Auch die inzwischen berühmt-berüchtigte Facebookseite der AfD zeigt deutlich, dass es innerhalb der Partei Tendenzen zu Rassismus und Beleidigungen Andersdenkender gibt. Mit Andreas Kempers Partei-Analyse werden nun Entstehungsgeschichte, Mitglieder und mögliche Weiterentwicklungen der AfD genauer durchleuchtet. Hier zeigt sich anschaulich, dass die Euro-Kritiker neben den parteiintern so oft hervorgehobenen Wirtschaftsprofessoren auch deutliche Verknüpfungen mit dem Netzwerk Zivile Koalition e.V. und teils politisch fragwürdigen Gruppen und Bewegungen haben.
Wo kommen sie her, wo gehen sie hin?
In der AfD bündelt sich laut Kempers Analyse ein Zusammenschluss verschiedener Netzwerke. Da wären zum einen reiche Familienunternehmerinnen und Unternehmer, die sich durch CDU und FDP nicht ausreichend vertreten sehen, marktradikale Volkswirtschaftsprofessoren, der Bürgerzusammenschluss Zivile Koalition und die Lobbyorganisation BürgerKonvent. Dazu gesellt sich eine breite Masse an Bügerinnen und Bürgern, die sich in ihrer gesellschaftlichen Ausrichtung am rechten Rand bewegen und ohne weiteres als Sarrazin-Fans bezeichnet werden können. Dies zusammengenommen bildet die Basis der AfD, so Kemper.    
Die Ausführungen des Soziologen zeigen, dass man sich auch innerhalb der Partei personell auf fragwürdigem Terrain bewegt. Beatrix von Storch, Direktkandidatin der AfD für Berlin-Mitte, gründete Ende 2006/ Anfang 2007 mit ihrem Mann Sven von Storch die Zivile Koalition e.V. Ebenfalls dabei war der ehemalige FAZ-Redakteur Klaus Peter Krause, welcher sich in jüngster Zeit vor allem dadurch auszeichnete, würdigend-positive Rezensionen über Bücher zu verfassen, in denen eine Rückkehr zur Monarchie gefordert wird. Von Storch ihrerseits kämpft mit Hilfe der "Zivilen Koalition" gegen die, wie sie es nennt, "Minderheiten-Lobby" der Lesben und Schwulen. Vorstandmitglied Konrad Adam forderte schon mehrfach die Abschaffung des Wahlrechts von Arbeitslosen und anderen Bevölkerungsgruppen, die direkt durch den Staat finanziert werden und daher in ihrer Wahlentscheidung zu stark beeinflusst seien. Abgeschafft werden soll also in erster Linie nicht nur der der Euro, sondern der Sozialstaat an sich. Der Fokus der Partei liegt so auf einer, wie der wissenschaftliche Berater Roland Vaubel es nennt, "unternehmerfreundlichen Demokratie", die zu Lasten finanziell schwacher Kreise agiert, um Privilegien zu festigen.
Vielfalt ist unerwünscht    
Auch die NPD spendete der AfD zu ihrem klar rassistischen Slogan "Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung" Zuspruch. Der Spruch war auf der Facebook-Seite der Partei gepostet worden, nach starker Kritik dann schnell gelöscht worden. NPD-Pressesprecher Frank Franz bescheinigte der Alternative für Deutschland "eine lobenswerte Türöffner-Funktion", die der NPD "zum jetzigen Zeitpunkt" noch fehle. Eine Einschätzung, die in der heißen Wahlkampfphase ins Gegenteil gekehrt wurde. Als die ersten Prognosen die junge Partei als reale Konkurrenz im eigenen rechts angesiedelten Wählerkreis präsentierten, deklarierte die NPD die AfD auf ihrer Homepage als "nicht wählbar". Zu uneinheitlich sei die Euro-Linie einiger Parteimitglieder und zu anbiedernd das Verhalten gegenüber CDU und FDP, so die Erklärung der rechtsextremen Partei, die anscheinend Angst vor Stimmenklau hatte.
In gesonderten Kapiteln behandelt Kempers "Rechte Euro-Rebellion" besonders bedeutsame Ideologiefragmente der AfD. "Alternativen zur Demokratie" bespricht den Wunsch der Parteimitglieder nach einer Umstrukturierung des bestehenden Systems, bei der sozial schwächere Schichten möglichst wenig Einfluss haben, "Familialismus" das innerparteiliche Streben hin zum traditionell-konservativen Familienidyll, während abweichende Lebensweisen stark diskriminiert werden. "Sozialabbau" wiederum geht auf die Forderungen der Alternative für Deutschland nach starken Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen für schlechter verdienende Bevölkerungsgruppen und eine erweiterte, steuerliche Förderung von Besserverdienenden ein– alles stark geprägt von rassistischen und klassistischen Vorurteilen. In seinen Ausführungen über "Hartgeld-Essentialismus" schließlich zeigt Kemper die Tendenz der Euro-Kritiker, Geld ohne seinen sozialen Bezug zu sehen und es zu einem Wert an sich zu erklären.
Homophobie und Demokratiefeindlichkeit im bürgerlichen Deckmantel
Neben diesen Fakten zeichnet sich die AfD vor allem durch ihr starkes Rütteln an Demokratie, Wahlrecht und Antidiskriminierungsrichtlinien aus. Die sogenannte "Unterschicht" wird hier als Kostenfaktor wahrgenommen. Einige der Professoren, die aktuell für die AfD kandidieren, waren 2005 am sogenannten "Hamburger Apell" beteiligt. "Rechte Euro-Rebellion" zeigt auf, wie sich hierbei klar gegen Lohnerhöhungen und für weitere soziale Einschnitte und eine Verschäfung von Hartz IV ausgesprochen wurde.
Die Gruppe um Bernd Lucke, Alexander Dilger, Jörn Kruse, Joachim Starbatty, Roland Vaubel und Hans Olaf Henkel strukturiert die Partei auf allen Ebenen. Henkel setzt sich in seiner Tätigkeit als Berater der Bank of America dafür ein, dass sogenannte "Redlining" wiedereinzuführen: Ärmere Stadtviertel sollen hierbei durch "Rote Linien" markiert und als nicht-kreditwürdig eingestuft werden. Eine solche "Rote Linie" soll auch mit dem Nord-Euro und dem Süd-Euro gezogen werden. Es geht darum, klar auszugrenzen.
Politik im Sinne der Eliten
Ein weiteres Thema, das Grund zur Sorge gibt, ist das Wahlrecht. Kempers Veröffentlichung leistet hier eine genaue Analyse. Vor allem die arbeiterkinderfeindlichen Aussagen von Roland Vaubel und Konrad Adam zur Bildungspolitik sollten allgemein kritische Beachtung finden. Adam hatte in einem Artikel Bezug auf eine Forderung André Lichtschlags genommen, die schon lange von Anhängern des österreichischen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich Augusts von Hayek gestellt wird. Dieser regte in seinem Hauptwerk unter dem Kapitel "Der Wert der Freiheit" an, Personen, die ihren Lebensunterhalt durch staatliche Transferleistungen bestreiten, vom Wahlrecht auszuschließen. Laut Kemper unterstreicht Adam nun besonders, dass es nicht sinnvoll gewesen sei, das Wahlrecht von Eigentum zu entkoppeln, da dadurch "die Passiven die Aktiven bremsen" würden.                                                   
Neben der Verfassungsfeindlichkeit solcher Aussagen bedeutet diese auch, den Wert des Menschen und seine aktive Teilnahme an der Gesellschaft lediglich auf seinen finanziellen Status aufzubauen und ein politisches Mitspracherecht gegebenenfalls auch zu entziehen. Immer wieder formuliert die AfD deutlich, dass bestehende System habe sich an die Interessen finanzieller Eliten anzugleichen. Privilegien und die ökonomische, gesellschaftliche und politische Teilhabe der großen Mehrheit sollen zurückdrängt werden. Teile der Partei sind hinsichtlich ihrer Sozialpolitik mit der US-amerikanischen "Tea Party" zu vergleichen, meint Kemper, mit demokratiefeindlichen, homophoben Tendenzen.
EU-Richtlinien abänderbar machen
Dazu kommen eine Prüfung der Strukturreform der Bundeswehr, die Änderung der europäischen Euro-Verträge und die Abschaffung des Gesundheitsfonds. Insgesamt stellen sich die inhaltlichen Positionen der AfD so gegen Bestehendes.
Die Partei vertritt aktuell offen den Ansatz der Direkten Demokratie. Dadurch will sie die Möglichkeit haben, Beschlüsse der EU mit nationalen Abstimmungen rückgängig machen. Dabei steht die Währungs- und Finanzpolitik im Fokus. In "Rechte Euro-Rebellion" zeigt sich jedoch, dass solche Gesetzesänderungen ebenso die Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in ihrer jetzigen Form aufweichen könnten. Roland Vaubel fordert, dass die Grundrechte-Charta der EU abzulehnen sei, weil diese die bürgerliche Freiheit angreife. Genau dort ist jedoch das Verbot von Diskriminierung festgehalten. Abgeordneter Hermann Behrendt stellte sein entsprechendes Buch kürzlich online. In seiner "Abschaffung des Parlamentarismus" lassen sich Begrifflichkeiten wie "Arbeitsscheue" und "Migration der Falschen" finden. Im Vorwort schreibt er: "Mein Traum rüttelt an den Prinzipien des Grundgesetzes" – eine mehr als gefährliche Utopie.
Informieren ist wichtiger denn je
Das Abschneiden der AfD bereitet Sorge. Eine Partei, die mit einer Kombination aus deutschem Patriotismus und Konstruktionen des "Fremden" (Migranten) so schnell fast in den deutschen Bundestag eingezogen wäre, scheint zu bestätigen, dass Phänomene wie Thilo Sarrazin auf fruchtbaren Boden fallen können. Solche Konstrukte sind brandaktuell und können rechspopulistischem Gedankengut den Boden bereiten. Aufklärung wird somit zum wichtigsten Instrument, um mehr Stimmenzuwanderung zu vermeiden - vor allem mit Blick auf die Europawahl und ihrer 3-Prozent-Hürde. Durch "Rechte Euro-Rebellion. Alternative für Deutschland und Zivile Koalition e.V.", leistet Andreas Kemper hierzu einen wichtigen Beitrag.

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