Volksentscheid gegen neoliberale Politik
Gilbert Siegler
Im folgenden Artikel
wird die herrschende Energiepolitik kurz in die neoliberale Politik der letzten
Jahrzehnte eingeordnet, die Bedeutung der Forderungen des
Volksentscheids(VE) begründet, die
Aufgaben nach einem erfolgreichen VE skizziert und schließlich begründet, warum
Energiepolitik ins Zentrum jeder linken Politik gehört.
Seit Anfang der 90er Jahre ist auf Grundlage neoliberaler Vorstellungen in großem Umfang öffentliches Eigentum privatisiert und damit dem Profitstreben großer Konzerne unterworfen worden. Nach dem Motto „schlanker Staat“, „der Markt regelt schon alles“ und „Private können es besser und billiger“ wurden Wohnungen, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Stadtreinigung, Post und Telekommunikation und vieles mehr verkauft. Die Privatisierung und Zerschlagung der Post z. B. führte zum
Abbau zigtausender Arbeitsplätze und zur Ausbreitung von prekären
Beschäftigungsverhältnissen in den verbleibenden Belegschaften von Deutscher
Post, Telekom und Postbank. Letztere gehört inzwischen der Deutschen Bank. 2003
verkaufte der CDU-Senat trotz eines eindeutigen Volksentscheidsergebnisses den
Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) an den Asklepios-Konzern. Heute wäre es
allerdings nicht mehr möglich, das Ergebnis eines Volksentscheids (VE) zu
ignorieren, da die Verbindlichkeit von VEn inzwischen gesetzlich
festgeschrieben ist.
Hintergrund dieser
Privatisierungs- und Deregulierungswelle war (und ist) die Absicht, lukrative
Anlagemöglichkeiten für das große Kapital zu schaffen. Durch die Politik
der
Lohnsenkung
bei
immer
intensiverer Ausbeutung, der Niedriglöhne in prekären Arbeitsverhältnissen, der Senkung von Renten und Transfereinkommen und der skrupellosen Ausbeutung der Naturreichtümer insbesondere der armen Länder des Südens entstanden Hunderte von
Milliarden zusätzlicher Profite. Deren Anlage war in den bestehenden
Produktions- und Dienstleistungsbereichen kaum mehr möglich, Diese Profite sollten
gleichwohl mit hoher Rendite investiert werden. Die (Teil-) Privatisierung von
Renten und Gesundheitsversorgung und anderer Bereichen gesellschaftlicher
Daseinvorsorge, wie die oben genannten, gehörten und gehören dazu. Dieser
Prozess wurde erheblich beschleunigt durch die Politik der Steuersenkungen für
große Unternehmen und Vermögen durch die Schröder/Fischer – Regierung und damit
die finanzielle Austrocknung der meisten Kommunen, die nicht selten der Meinung
waren, sie könnten sich mit den Verkauf Öffentlichen Eigentums sanieren.
Die Erfahrungen mit den Privatisierungen sind überall denkbar schlecht. Steigende Preise und sinkende Qualität waren die Folgen, viele Tausend Arbeitsplätze wurden vernichtet, ökologische und soziale Gesichtspunkte werden nicht berücksichtigt. Im Mittelpunkt steht die höchstmögliche Rendite, der maximale Profit.
Auch die Energieversorgung Hamburgs kam auf diese Weise in die Hand großer Konzerne. Die Hamburgischen Electrizitätswerke (HEW) wurden
an Vattenfall und die Hamburger Gaswerke (HGW) an E.on verkauft. Daran beteiligt waren Senate aus SPD, SPD/Grünen und CDU.
Die Folgen für die Energieversorgung Hamburgs waren ernüchternd: Die Strompreissteigerungen für die privaten Endverbraucher lagen bis 2012 bei 5% jährlich. Jedes Jahr wird ca. 10 – 15.000 Haushalten in Hamburg der Strom abgestellt, weil sie ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Die Kosten für Fernwärme stiegen noch stärker; sie sind seit langen der größte Posten bei den Mietnebenkosten und die jährlichen Nachzahlungen stellen für viele Haushalte eine beängstigende Bedrohung dar.
Der Energie - Volksentscheid in Hamburg
Am Tag der Bundestagswahl entscheiden die Hamburgerinnen und Hamburger in einem Volksentscheid, ob die komplette Fernwärmeversorgung sowie die Strom- und Gasnetze zu 100% in die Öffentliche Hand übernommen werden sollen. DIE LINKE Hamburg unterstützt die Volksinitiative Unser Hamburg – unser Netz (www.unser-netz-hamburg.de) in ihrem Kampf für einen erfolgreichen Volksentscheid. Dafür gibt es gute Gründe:
ñ Energie ist ein „Lebensmittel“. Wasser und Abwasserentsorgung, Energie (Strom, Wärme), Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Bildungseinrichtungen, ÖPNV, u. a. braucht jede und jeder. Sie dürfen nicht den Profitinteressen von Konzernen ausgeliefert werden. Für private Konzerne sind Energieversorgung,
Krankenhäuser usw. nur ein Mittel zum Zwecke der Profitproduktion, die hat
Priorität vor der Versorgung der Bevölkerung. Mit der Privatisierung von HEW und HGW haben die HamburgerInnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. Die Preise stiegen weitaus stärker als die Lebenshaltungskosten sonst.
ñ
Die Energiewende ist eine öffentliche Aufgabe - ihr Gelingen ist für die große Mehrheit der Bevölkerung von elementarer Bedeutung. Der Klimawandel ist in vollem Gange. Hitzewellen wie unlängst in Mitteleuropa werden in Zukunft immer häufiger auftreten, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dieser Tage feststellte. „Jahrhunderthochwasser“ wie 2002 und 2012 treten ebenfalls statistisch messbar häufiger auf. In Nordindien gab es im Juni eine Hochwasserkatastrophe, der mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. Jedes Grad Erderwärmung könnte den Meeresspiegel auf lange Sicht um mehr als zwei Meter erhöhen, so das PIK. Die Energiewende weg von fossiler und atomarer Energiegewinnung durch Großkraftwerke hin zu dezentraler und demokratisch kontrollierter Energiegewinnung aus regenerativen Quellen ist für die Energiekonzerne eine existenzielle Bedrohung, weil sie im Energiesystem der Zukunft überflüssig sind. Deshalb der verbissene Widerstand von E.on, Vattenfall, RWE und EnBW dagegen. Sie wollen ihre dreckigen und gefährlichen, aber hoch profitablen Anlagen nicht aufgeben. Deshalb ist die Energiewende nur gegen und letztlich ohne die Energiekonzerne möglich.
Die Energiewende ist eine öffentliche Aufgabe - ihr Gelingen ist für die große Mehrheit der Bevölkerung von elementarer Bedeutung. Der Klimawandel ist in vollem Gange. Hitzewellen wie unlängst in Mitteleuropa werden in Zukunft immer häufiger auftreten, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dieser Tage feststellte. „Jahrhunderthochwasser“ wie 2002 und 2012 treten ebenfalls statistisch messbar häufiger auf. In Nordindien gab es im Juni eine Hochwasserkatastrophe, der mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. Jedes Grad Erderwärmung könnte den Meeresspiegel auf lange Sicht um mehr als zwei Meter erhöhen, so das PIK. Die Energiewende weg von fossiler und atomarer Energiegewinnung durch Großkraftwerke hin zu dezentraler und demokratisch kontrollierter Energiegewinnung aus regenerativen Quellen ist für die Energiekonzerne eine existenzielle Bedrohung, weil sie im Energiesystem der Zukunft überflüssig sind. Deshalb der verbissene Widerstand von E.on, Vattenfall, RWE und EnBW dagegen. Sie wollen ihre dreckigen und gefährlichen, aber hoch profitablen Anlagen nicht aufgeben. Deshalb ist die Energiewende nur gegen und letztlich ohne die Energiekonzerne möglich.
ñ
Vattenfall und E.on, in denen der SPD-Senat Partner für vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht, versuchen die Energiewende mit allen Mitteln
zu verhindern. Für die abgeschalteten Atomkraftwerke fordert Vattenfall vor
einem internationalen Schiedsgericht der Weltbank von der BRD 3,5 Milliarden
Entschädigung und will an der Nutzung der Atomkraft festhalten. Der Konzern
beschleunigt mit seiner Braunkohleverstromung den Klimawandel, der schon jetzt
bedrohliche Ausmaße annimmt. Sie treiben die Preise der privaten Endverbraucher in die Höhe und sie drohen mit der Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze. Allein
Vattenfall will 2500 Stellen vernichten, davon 1500 in Deutschland. In Moorburg baut Vattenfall ein riesiges Steinkohlekraftwerk, das für die Stromversorgung Hamburgs überflüssig ist – es dient allein den Exportinteressen
des
Konzerns
-
aber
den
CO2-Ausstoß
in
Hamburg
um
mindestens
40%
erhöhen
wird.
Die
beabsichtigte Teilung des Konzerns in Vattenfall Schweden und den Rest wird von vielen Experten als erster Schritt zu einem Rückzug aus Deutschland verstanden.
ñ Der Netzbetrieb und die Fernwärmeversorgung sind gute und sichere Geschäfte - deshalb wollen die Konzerne sie behalten! Die Gewinne fließen in die Taschen der Aktionäre; nur ein kleiner Teil wird von ihnen
wieder investiert. Gehören die Netze der Stadt, bleiben die Gewinne in Hamburg und nützen den Bürgerinnen und Bürgern.
ñ Als Eigentümerin der Fernwärmeversorgung und der anderen beiden Netze gewinnt die Stadt endlich wieder Einfluss auf die Entwicklung der Energieversorgung der Stadt. Sie kann das Stromverteilnetz für die Versorgung aus vielen dezentralen regenerativen Erzeugern umbauen. Sie kann Synergien nutzen, die sich aus der gemeinsamen Bewirtschaftung dreier Energienetze ergeben. Sie kann Doppelerschließungen von Stadtteilen mit Gas und Fernwärme und damit Kosten vermeiden, welche dann auch nicht auf die VerbraucherInnen abgewälzt werden. Mit
qualifizierter VerbraucherInnenberatung kann ein städtisches Unternehmen auf
eine Senkung der Energieverbräuche hinwirken, was nicht nur für den Klimaschutz
dringend geboten wäre, sondern zugleich die EndverbraucherInnenkosten senken
würde. Nur ein öffentliches Unternehmen
kann sich zum Ziel setzen, die Umsätze, also den Stromverbrauch zu senken – was
für den Erfolg der Energiewende
elementar ist. Ein städtisches Unternehmen kann mit den
Gewinnen aus den Netzen die Preise stabil halten, die Arbeitsplätze sichern und in die Netze investieren, um einen Umstieg auf regenerativ Energien zu erleichtern.
ñ Die Übernahme der Strom- und Gasnetze ist somit ein grundlegender erster Schritt hin zu einer am
Gemeinwohl orientierten Energieversorgung.
ñ
Bei der Fernwärmeversorgung ist dieses Ziel schon kurzfristig erreichbar; sie hat eine besonders große Bedeutung
für die Energiewende. Hier geht es nicht nur um das Netz, sondern auch um die
Erzeugung der Fernwärme, die bei einer Übernahme des Netzes mit übernommen wird; so legt es der
Konzessionsvertrag fest. Bürgermeister Scholz will auf diese Übernahme in die
Öffentliche Hand verzichten und die Fernwärmeerzeugung und das Versorgungsnetz
endgültig und ohne zeitliche Befristung Vattenfall ausliefern. Der Senat
verzichtet auf die Durchsetzung der Endschaftsregelung (Regelungen über die Beendigung des Konzessionsvertrages)
im Konzessionsvertrag, die der Stadt die Möglichkeit gibt, die
Fernwärmeversorgung neu zu vergeben oder in eigener Regie zu betreiben. Das Fernwärmenetz wird nicht für andere Anbieter wie etwa
dezentrale Blockheizkraftwerke, Nutzung industrieller Abwärme usw. geöffnet.
Auch das ist schlecht für den Klimaschutz und für die EndkundInnen. Die Heizkosten
sind
der
überwiegende Teil der Mietnebenkosten. Für viele Familien sind die steigenden Heizungskosten in den letzten Jahren zu einem dramatischen Problem geworden. Vattenfall kontrolliert 82% der Fernwärmeversorgung Hamburgs. Wer von Vattenfall Wärme bezieht, kann – anders als bei Strom oder Gas – nicht zu einem anderen Lieferanten wechseln. Vattenfall ist
Monopolist. Die Preisgestaltung unterliegt keiner Kontrolle - der Konzern diktiert die Preise.
Die Folgen für den Klimaschutz
sind
noch
dramatischer. 40% der energiebedingten CO2- Emissionen
entstehen
im
Wärmebereich. Fernwärme wird in Hamburg ganz überwiegend
durch Steinkohle erzeugt. Aber
nur mit einer kohlenstoffarmen Fernwärmeerzeugung – für die keine Kohle mehr verbrannt wird – kann
eine Verringerung der CO2-Emissionen um
40% bis 2020 gegenüber 1990 geschafft werden. Ein städtischer Fernwärmeversorger
könnte zügig auf eine Versorgung durch
dezentrale gasbetriebene Anlagen mit
Kraft-Wärme-Kopplung (die Wärme und Strom
erzeugen) umsteuern. Er bräuchte zudem keine Renditen
bis zu 33%, wie sie Vattenfall in den
letzten Jahren erzielt hat. Das Stadtwerk als Wärmelieferant könnte die Preise
stabil halten.
ñ Transparenz und Demokratie enden an den Konzerntoren. Eine demokratische Kontrolle der Fernwärmeversorgung und der Strom- und
Gasnetze sowohl durch die Bürgerschaft als auch darüber hinaus durch
direkt-demokratische Mitbestimmung aus der Zivilgesellschaft ist nur in einem öffentlichen Unternehmen möglich. Für ein öffentliches Unternehmen lässt sich die Veröffentlichungspflicht aller wesentlichen betriebs-wirtschaftlichen Daten durchsetzen. Ein Beirat (Verwaltungsrat …), der von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen beschickt wird oder dessen Mitglieder direkt gewählt werden, muss darüber wachen, dass die in der Unternehmenssatzung festgeschriebenen Ziele (siehe Satz 2 des VE: Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien) eingehalten werden.
ñ Die Kosten für die Übernahme sind aus den im Netzbetrieb erzielten Gewinnen problemlos finanzierbar. Der Bundesgerichtshof hat bereits 1999 in seinem „Kaufering-Urteil“ festgelegt, dass der Preis für ein Energienetz nur so hoch sein darf, dass er aus den Erlösen problemlos finanziert werden kann. Wenn die Hamburger
Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV), Dachgesellschaft
aller Hamburger Unternehmen und Beteiligungen, für den Kauf der Strom- und
Gasnetze und der Fernwärmeversorgung einen Kredit aufnimmt, lässt sich dieser
aus den Gewinnen finanzieren. Ähnlich verfuhr der Senat übrigens beim Erwerb
der 25,1%-Beteiligung und beim Erwerb des Hapag-Lloyd – Aktienpakets. Der
Hamburger Haushalt wird dadurch nicht belastet. Die Frage: „ Was wollen Sie
denn im Haushalt streichen – Ausgaben für Kitas, für Schulen, für Kultur?“, wie
sie nicht nur in den Springermedien, sondern bisweilen auch von führenden
Sozialdemokraten formuliert wird – diese Frage ist deshalb nicht nur dumm, sie
ist böswillig. Ohne seriöse Grundlage ist auch die Behauptung, es müssten 2
Milliarden für die Übernahme ausgegeben werden, denn erstens war nach Meinung
vieler Experten der Preis von 543 Mio. für 25,1% viel zu hoch und zweitens
liegen die betriebswirtschaftlichen Daten für eine Preisermittlung noch lange
nicht auf dem Tisch – weil Vattenfall sich seit Jahren weigert sie
herauszugeben.
ñ Eine Minderheitsbeteiligung hilft nicht! Der SPD-Senat hat mit Vattenfall und E.on eine Beteiligung von 25,1% vereinbart. Das kostet 543 Millionen, bringt Hamburg aber keinen nennenswerten Einfluss. Im Gegenteil: Vattenfall und E.on behalten die Herrschaft über die Energieversorgung in Hamburg. Die Fernwärmeversorgung soll sogar endgültig Vattenfall überlassen werden. Anders als der Senat behauptet, wird mit den
Scholz-Verträgen mit Vattenfall und E.on nicht die Energiewende in Hamburg
eingeleitet, sondern sie wird verhindert. Stimmt die Mehrheit der
HamburgerInnen für den Volksentscheid, für 100%, dann sind die bisher
abgeschlossenen Verträge ungültig.
DIE LINKE will eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien. Das ist nur in öffentlichem Eigentum und
bei demokratischer Kontrolle realisierbar. Deshalb sind wir für 100%!
Die vier
großen Energiekonzerne haben sich seit ihrem Bestehen nicht nur in Hamburg als
Sachwalter atomarer und fossiler Großkraftwerke profiliert und damit
gigantische Profite gemacht. Ihr Engagement in Offshore-Windparks bestätigt
diesen Kurs: Handelt es sich doch um die teuerste Form regenerativer
Energiegewinnung, die aber als Großtechnik ebenfalls in die Struktur der großen Vier passt und die Entwicklung
dezentraler Energiegewinnung behindert.
Nach einem Erfolg des Volksentscheid geht der Kampf weiter!
Nach dem
Erfolg des VE sind Vattenfall und E.on geschwächt; sie haben noch Einfluss auf
die Energieversorgung Hamburgs, aber sie beherrschen sie nicht mehr – und
ebenso diejenigen, die wie SPD-Senat, CDU, FDP, Handelskammer usw. mit ihrer
finanziellen, Verwaltungs- und Medienmacht versuchten, diese Entscheidung der
HamburgerInnen zu verhindern. Die Struktur der Energieversorgung Hamburgs und
die politische Kultur Hamburgs werden sich durch diesen Erfolg einschneidend
verändern. Trotzdem ist der Kampf damit nicht zu ende. Die Argumentationen von
Scholz und Dressel weisen darauf hin, dass sie die Umsetzung des VE nur
widerwillig betreiben werden. Deshalb wird viel politischer Druck nötig sein,
sie zur korrekten Umsetzung der demokratischen Entscheidung der HamburgerInnen
zu bewegen. Diese Aufgabe muss vor allem das breite Bündnis leisten, das hinter
UhuN steht. Aber auch die unterstützenden Parteien, also DIE LINKE und die
GRÜNEN haben eine große Verantwortung. Bei den Grünen wird sich zeigen, was
schwerer wiegt: Die Entscheidung der Bevölkerungsmehrheit oder der Wunsch, 2015
zusammen mit der SPD eine Koalition zu bilden. Anders als die Grünen hat DIE LINKE
klare Positionen zur neoliberalen Politik der Privatisierung gesellschaftlicher
Daseinvorsorge. Sie muss deshalb durch außerparlamentarische Aktivitäten wie
durch ihre Initiativen in der Bürgerschaft die Volksinitiative unterstützen,
den Senat mit Anträgen, Anfragen usw. fordern und der Öffentlichkeit Wege zur
Umsetzung des Volksentscheids aufzeigen.
Die
Übernahme in die Öffentliche Hand, ist eine notwendige, aber keine hinreichende
Voraussetzung für ein sozial und
ökologisch sinnvolles Handeln in den betreffenden Unternehmen. Hinzu kommen
muss zweierlei: Erstens eine klare Zweckbestimmung, die als
Unternehmenszweck verbindlich festgeschrieben wird (wie sie z. B. Im Satz 2 des
Volksentscheidstextes knapp beschrieben); wir können auch sagen: Wir wollen
Gebrauchswertproduktion, also in diesem Falle die Bereitstellung von Strom und
Wärme aus dezentralen regenerativen Quellen zu sozial gerechten Preisen.
Konzerne wollen Tauschwertproduktion, also höchste Profite mit was auch immer
erzielen.
Und zweitens
eine effektive demokratische Kontrolle. Voraussetzung demokratischer Kontrolle
ist eine umfassende Transparenz: Diejenigen, die kontrollieren sollen, müssen
über alle relevanten Unternehmensdaten verfügen. Wenn wesentliche Daten als
"Betriebsgeheimnis" deklariert werden, kann weder ein Parlament noch
sonst wer kontrollieren. Außerdem zeigen die Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte, dass eine demokratische Kontrolle nur durch ein Kommunal- oder
Landesparlament oder den Bundestag oft nicht funktionieren. Die Deutsche Bahn etwa ist zu 100% im Besitz
des Bundes, agiert aber – auf Geheiß der Bundesregierung und zum Schaden der
Bürgerinnen – wie ein privater Konzern. Stadtwerke werden nicht selten von
ihren Kommunen angehalten, auf Kosten der KundInnen und zum Schaden des
Klimaschutzes möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften, um die Stadtkassen zu
füllen, die durch die Steuergesetzgebung auf Bundesebene wesentlicher
Einnahmequellen beraubt wurden. Die Zusammensetzung der Parlamente spiegelt die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse wieder. Unternehmens-verbände, aber auch einzelne große Finanz-, Dienstleistungs- und Industriekonzerne üben über die etablierten Parteien massiven Einfluss aus. Zur
parlamentarischen Kontrolle muss deshalb eine direkt-demokratische hinzu
kommen. Beispiele, die übertragbar wären:
Es gibt die VertreterInnenversammlungen der Sozialversicherungen; gäbe man denen mehr
Einfluss, hätten wir dort eine demokratische Kontrolle durch die VertreterInnen
der Versicherten. Und es gibt das Modell des Beirats (Verwaltungsrats o. ä.).
Bei dem ist entscheidend, wie Leute hineinkommen. Es könnten VertreterInnen
wichtiger gesellschaftlicher Gruppen
(Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände …) sein (ähnlich einem Rundfunkrat),
es gibt aber auch die Möglichkeit, Menschen z. B. in Stadtteilen direkt zu
wählen oder nach dem Zufallsprinzip auszuwählen. Von großer Bedeutung ist auch
die Unternehmensform, weil verschiedene Rechtsformen unterschiedliches Maß an
Transparenz und an demokratischer Kontrolle ermöglichen. Aus diesen Gründen ist
öffentlich-rechtlichen Unternehmensformen (wie etwa der Anstalt des
öffentlichen Rechts) der Vorzug zu geben vor privat-rechtlichen
Unternehmensformen (AG, GmbH usw.) Der Gesetzentwurf des Berliner Energietischs
bietet Ansätze, die so oder ähnlich für Hamburg verwendet werden könnten.
Hamburg
braucht neuen Stadtwerke. Neben Hamburg Energie, Hamburg Wasser, den neuen
Netzgesellschaften Strom und Gas sowie der Fernwärmegesellschaft sollte
mittelfristig auch die HHA und Andere unter der Dachgesellschaft (Holding)
Hamburger Stadtwerke zusammengefasst werden. Zur Entwicklung konkreter
Formen direkt-demokratischer
Einflussnahme ist ein breiter gesellschaftlicher Diskurs zu organisieren. In
diesen ist die Volksinitiative Unser Hamburg – unser Netz ebenso einzubeziehen
wie Umwelt- und Sozialverbände und Gewerkschaften. Für die Beurteilung des
Ergebnisses sind zwei Kriterien maßgeblich: Werden präzise Unternehmensziele
(siehe Satz 2 des VE) verbindlich festgeschrieben und: Ist eine demokratische
Kontrolle der Einhaltung dieser Grundsätze sowohl durch die Bürgerschaft als
auch durch eine direkt-demokratische Instanz gewährleistet? Angesichts der
realen gesellschaftlichen Verhältnisse liegt auf der Hand, dass das nur
Ergebnis harter Auseinandersetzungen sein kann. Nach einem Erfolg des
Volksentscheids ist es immer noch ein anspruchsvolles, aber kein illusorisches
Ziel.
Warum gehört die Energiepolitik ins Zentrum jeder linken
Politik?
Energiepolitik
gehört auch nach dem 22.9. ins Zentrum linker Politik, also auch der Politik
der Partei DIE LINKE. Es besteht die
reale Chance, ein bedeutendes Stück neoliberaler Privatisierungspolitik zurück
zu drängen – zunächst in Hamburg und in Berlin, wo am 3.11. der Volksentscheid
über das Stromnetz stattfindet. Ist der VE in Hamburg erfolgreich, steigen auch
die Chancen in Berlin. Und zugleich werden Menschen in vielen großen und
kleinen Städten dieses Landes fragen: Wenn das in Hamburg (und Berlin) geht,
warum nicht auch bei uns? Davor haben E.on, RWE, Vattenfall und EnBW Angst,
denn sie fürchten die Vergesellschaftung ihrer Profite und die Schwächung ihres
ökonomischen und damit auch des politischen Einflusses. Und was nicht nur die
Energiekonzerne fürchten: Dass Millionen Menschen merken: „die da oben“ können
doch nicht beliebig machen, was sie wollen, sondern die Millionen können sich
gegen die Milliardäre durchsetzen, gegen die Herren der Banken (Versicherungen,
Hedgefonds...) und Konzerne.
Energiepolitik
ist
ñ Sozialpolitik, weil es um die
Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern geht, ist
ñ Kampf um gute und sichere
Arbeitsplätze, denn die Energiekonzerne bauen permanent Arbeitsplätze ab,
erhöhen den Druck auf die Beschäftigten
ñ Klimapolitik, weil ohne eine
rasche Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger die
Folgen des Klimawandels noch dramatischere Formen annehmen wird als ohnehin schon
zu erwarten – und damit zu den größten sozialen Katastrophen des Jahrhunderts führen wird
Folgen des Klimawandels noch dramatischere Formen annehmen wird als ohnehin schon
zu erwarten – und damit zu den größten sozialen Katastrophen des Jahrhunderts führen wird
ñ Friedenspolitik, denn in den
meisten Kriegen dieser Zeit geht es um die Kontrolle der fossilen
Energiequellen (und anderer Ressourcen).
Wenn wir
über Energiepolitik reden, reden wir über Krieg und Frieden, über soziale
Gerechtigkeit, über die Eigentums- und Machtverhältnisse in dieser Gesellschaft
– und darüber, wie diese verändert werden können.
Die Erfolgsgeschichte kapitalistischer Gesellschaften ist undenkbar ohne ihre energetische Basis, also ohne Kohle, Erdöl und Erdgas. Fossile Energieträger gab es billig und im Überfluss.
Das ist vorbei. Peak Oil, der Höhepunkt der Ölförderung, ist in diesen Jahren erreicht. Die Zeit des billigen Öls ist vorbei und die Förderung wird in den nächsten Jahren zurück gehen. Die Kohle- und Gasvorräte sind größer, aber auch die Nachfrage auf dem Weltmarkt steigt beständig; das wird in Zukunft zur Verknappung und zu
steigenden Preisen führen.
Die Folgen: Militarisierung der Außenpolitik, Kriege mit furchtbaren Folgen, neokoloniale Ausbeutung rohstoffreicher Länder. Zugleich können viele
arme Länder des Südens ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen.
Bundesweit, so schätzt die Caritas, können 1,2 Mio. Haushalte ihre Energiekosten nicht mehr aufbringen. In Hamburg wird jedes Jahr über 10 -15.000 Haushalten der Strom abgestellt.
Die kapitalistischen Hauptländer haben in weniger als 200 Jahren Energiereserven verbraucht, die in Millionen Jahren entstanden sind. Die massenhafte Verbrennung von Kohle, Öl und Gas blieb und bleibt nicht ohne Nebenwirkung: Das Erdklima erwärmt sich und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. Die Aufnahmefähigkeit der Ökosysteme für Treibhausgase, v. a. CO2, ist bereits heute deutlich überschritten. Die Erde erwärmt sich viel schneller als noch vor wenigen Jahren vorhergesagt. Geht die Entwicklung so weiter wie bisher, ist mit einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um über vier Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu rechnen. Der Temperaturunterschied zwischen der letzten Eiszeit und heute beträgt fünf Grad.
Die Klimawissenschaft ist sich weitgehend einig,
dass die Folgen einer Temperaturanstiegs um zwei Grad wahrscheinlich gerade noch beherrschbar wären, aber die Begrenzung auf 2 Grad nicht mehr erreichbar ist. Vier Grad höhere globale Durchschnittstemperatur hätte zur Folge, dass schon bis 2100 der Meeresspiegel um bis zu 2m anstiege, dass große Flächen durch Wüstenbildung für die Landwirtschaft verloren gingen, Extremwetterereignisse (Trockenheit, Überschwemmungen, starke Unwetter, Hitzewellen) weiter zunähmen. Die
Zunahme von Hitzewellen und von Extremwetterereignissen („Jahrhundertfluten“) ist bereits statistisch nachweisbar. Milliarden Menschen vor allem in den äquatornahen Ländern und den großen Deltagebieten verlören ihre Lebensgrundlagen, wenn die Entwicklung so weiter ginge. In den äquatornahen Ländern hat diese Entwicklung längst begonnen.
Die volkswirtschaftlichen Verluste eines „weiter so“ werden auf 5 – 20% des Volkseinkommens geschätzt. Soziale und politische Destabilisierung, Verarmung großer Bevölkerungsteile, große Flüchtlingsbewegungen und zunehmende Ressourcenkriege wären die Folge.
Ein rasches Umsteuern, eine schnelle Abkehr der Nutzung von Kohle und Öl könnte diesen Prozess bremsen, wenn auch nicht mehr gänzlich verhindern. Warum geschieht das nicht?
Unter den 500 größten und mächtigsten Konzernen (weltweit und ähnlich in Europa) machen bis zu 30% ihre Profite mit der Förderung, Verarbeitung, dem Vertrieb von Kohle, Öl und Gas und mit der Nutzung von Öl, also mit Autos und Flugzeugen. Diese Konzerne haben sich bisher immer wieder durchgesetzt. Um ihre Profite zu steigern, vernichten Energie-, Auto- und Flugzeugkonzerne Arbeitsplätze, schaffen immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse, machen Energie und Mobilität für immer mehr Menschen unbezahlbar und sie forcieren die globale Erwärmung mit dramatischen Folgen für Milliarden Menschen.
Ein wirksamer Klimaschutz und eine sozial gerechte Energieversorgung, hierzulande wie international, kann folglich nur gegen die Konzerne durchgesetzt werden, die an der Nutzung fossiler Energieträger Milliarden verdienen. Dazu zählen neben den Energiekonzernen und der Auto- und
Flugzeugindustrie auch die Chemie- und Zementindustrie und das große
Finanzkapital.
Die ungeheure wirtschaftliche und
politische Machtkonzentration bei den Energiekonzernen muss Schritt für Schritt
eingeschränkt und überwunden werden. Energieversorgung ist eine elementare
Lebensvoraussetzung, die der Profitwirtschaft entzogen werden muss. Wir müssen
auch und gerade hier die Systemfrage stellen, die Frage nach den Eigentums- und
Machtverhältnissen.
Notwendig
ist ein sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft. In Plan B – das rote
Projekt zu einem sozial-ökologischen Umbau hat DIE LINKE ihre Vorschläge und Ansätze für
ihre Strategie dazu zur Diskussion gestellt. Eine solche Politik lässt sich
nicht allein und nicht vorrangig über die Parlamente durchsetzen. Notwendig
sind breite gesellschaftliche Bündnisse, in denen ökologische, soziale und auf
Demokratisierung gerichtete Bestrebungen sich zusammen finden. Die
Anti-AKW-Bewegung, ohne die auch nach Fukushima nicht ein einziges AKW
abgestellt worden wäre, hat sich zu einem solchen Bündnis entwickelt. Das
Bündnis „Unser Hamburg – unser Netz“ und ähnliche Bündnisse in anderen Städten
(z. B. Berlin) sind Beispiele, wie sich Menschen aus unterschiedlichen Motiven
und mit unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft zusammen finden
können, um den Konzernen die Stirn zu bieten. Die Aktiven sammeln dabei
wertvolle politische Erfahrungen, lernen auch die verschiedenen politischen
Kräfte und Parteien oft neu kennen und können praktisch erleben, wer jenseits
von Werbesprüchen tatsächlich dafür arbeitet, dass diese Gesellschaft sozialer,
ökologischer und demokratischer wird. Wir erleben in diesen Bewegungen erste
wesentliche Schritte dessen, was wir im „Plan B“ den sozial-ökologischen Umbau
nennen, der ja zugleich eine grundlegende Veränderung der bestehenden
Eigentums- und Machtverhältnisse sein wird. Linke und nicht zuletzt DIE LINKE
haben alle Gründe, diese Bewegungen mit aller Kraft voran zu bringen und sie
haben und eine hohe Verantwortung für ihren Erfolg.
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