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Dienstag, 1. Juli 2014

die Veranstaltung vom "Maidan in den Bürgerkrieg?" wurde abgesagt. Nähere Informationen dazu findet Ihr in der untenstehenden Absage und dem Link und dem Ausriss aus einem Artikel aus Indymedia.

 Die Veranstaltung wurde, nach eingehender Beratung, dafür entschieden, die Veranstaltung zum Ukraine-Konflikt am 2. Juli in Hamburg abzusagen. Hierfür sprechen drei Gründe:

 
  • Das teilweise extrem missverständliche Bild, welches Borotba/Sergej in der öffentlichen Wahrnehmung abgeben. Hierzu gibt es bereits einige Artikel. Ich habe das fraktionsintern gegenrecherchieren lassen und habe zumindest keine Anhaltspunkte gefunden, die darauf schließen lassen, dass es sich hierbei ausschließlich um eine Kampagne handelt. Was dies im einzelnen für Vorwürfe sind, ist im folgenden Artikel zusammengefasst:  https://linksunten.indymedia.org/node/117286 .
  • Die Unruhe, die bereits jetzt durch die Veranstaltungsplanung im Unterstützer_innen-Umfeld entstanden ist.
  • Dass absehbar ist, dass dies auch in Parteikreisen für weitere Auseinandersetzungen sorgen wird.
 
Dieser Artikel, sowie weitere Hinweise sind uns erst nach Planung der Veranstaltung bekannt geworden. Eine so kurzfristige Absage ist nie schön, und wir bedauern, wenn dadurch Unannehmlichkeiten entstanden sind.
 
Mit solidarischen Grüßen
 
Oliver Nöll
Mitarbeiter Außenkontakte / Koordination Regionalbüros

Ihr findet den kompletten Zusammenhang dazu unter link

Außerdem dazu: Facebook

Was heißt eigentlich, Querfront?

Von Kleinkriminellen zu Mördern. Abriss über die politische Evolution der Stalinisten am Beispiel der Organisation Borot'ba

Screenshot eines militaristischen Posts von Borot’ba: “AUCH DU KANNST HELFEN”
Vorbemerkung der Übersetzer*innen: Nachdem wir vor ein paar Tagen eine kurze Warnung vor dem Militarismus, Nationalismus und Querfront-Charakter der ukrainischen Organisation Borot’ba veröffentlicht haben, die von zahlreichen Landesverbänden der Partei Die LINKE als Kronzeugin für den Ukraine-Krieg geladen wurde, möchten wir nun einen detaillierteren Text über die Entwicklung der Borot’ba nachreichen. Es handelt sich um die Übersetzung eines Artikels der anarchistischen und antiautoritären ukrainischen Webseite nihilist.li aus dem Russischen, Autoren sind Wasilij Schapkirman und Rachil' Kronschtadtskaja, Erstveröffentlichung war am 19.06.2014. Für eine Kurzfassung verweisen wir erneut auf das Flugblatt des ukrainischen Anarchisten und Künstlers Aleksander Wolodarski und die Seite der Autonomen Arbeitergewerkschaft.

Epidemie der Kraft, ein junger OrganismusWir schreiten über GräberUnser Ziel - der Kommunismus
W. Arechowskij

Wir sind alle nur Stufen auf dem großen historischen Weg der Menschheit zu ihrer Befreiung. Jede Sekunde bin ich bereit, mich für die Revolution zu opfern. Und ich denke, das gibt mir das Recht, auch andere Menschen zu opfern. Zum Beispiel dich, zumal du eh 'ne Arschgeige bist.
Aus dem Film "Lars von Trier, Regisseur und Ungeheuer"


# Foto oben: Screenshot eines militaristischen Posts von Borot’ba: “AUCH DU KANNST HELFEN” #

Die Organisation "Borot'ba" wurde offiziell im Mai 2011 geboren. Aber einem der Autoren war es gegönnt, bei ihrer Zeugung anwesend zu sein, die im April 2010 stattfand. Die Kiewer Organisation der Marxisten (OM) feierte ihr Jubiläum. Damals sprach Sergej Kiritschuk bei seinem Auftritt viel davon, dass es Gebot der Stunde sei, eine linke Partei zu gründen. Der zukünftige Führer der Borot'ba besaß zu diesem Zeitpunkt noch keinen Bart im Stile eines Revolutionärs aus einem Staat der "Dritten Welt", sondern ähnelte eher einem Kleinhändler, der er zu diesem Zeitpunkt auch war (er handelte mit Hühnern). Sergej und die ihm Gleichgesinnten in der OM fühlten sich durch den Erfolg der landesweiten Nationalistenorganisation "Swoboda" inspiriert, und sie wollten auf ähnliche Weise Parteigründung betreiben, um die Kommunistische Partei der Ukraine am linken Flügel zu bedrängen. Genau zu diesem Zeitpunkt fiel erstmals der Name "Borot'ba" [Ukrainisch für Kampf; der Übersetzer].

Ungefähr ein Jahr nach dieser Rede spaltete sich die Organisation der Marxisten, wobei sie den Spalt schon seit dem Moment der Gründung in sich trug - es ist unmöglich über einen langen Zeitraum Stalinisten, Trotzkisten, ehemalige Parteinomenklatur, Komsomolzen-Führer und libertäre Linke zusammenzuhalten. Die Existenz der OM selbst war ein Indikator für die extreme Unreife der linken Politik in der Ukraine: nur in einer Periode extremer Apathie und Stagnation kann ein solch notdürftig zusammengestricktes Frankenstein-Monster die Illusion von Leben erwecken, ohne in Stücke zu zerfallen. Die Tatsache, dass sowohl die Autoren dieses Texts, als auch Dutzende anderer Linker nicht von Anfang den Faulheitsgestank rochen, der von dieser Organisation ausging, gereicht uns nicht zur Ehre.

Nach der Spaltung wandten sich einige Mitglieder der OM vom Aktivismus ab, andere bildeten die "Linke Opposition", andere schließen sich den Libertären an, und andere - werden zu unseren Feinden. Echten Feinden, ohne Anführungszeichen und ohne rhetorische Übertreibung. Die Abgrenzung von der Borot'ba ist keine Frage der Unvereinbarkeit von Dogmen, es geht nicht um historisches Reenactment, nicht um anekdotische "Rache der Anarchisten wegen Kronstadt" [Ort der Niederschlagung eines Aufstands enttäuschter Linker/Konterrevolutionäre gegen die Kommunistische Partei Russlands 1921; der Üb.], nicht um all das, was uns die Autoritären [eine linkskonservative Strömung im postsowjetischen Raum, die dem Erbe Stalins, und im weiteren Sinne der UdSSR gegenüber positiv eingestellt ist; der Üb.] vorhalten.

Der Anfang des Konfliktes waren systematische Lügen und Betrug. Das war kein Geheimnis für Niemanden, aber viele zogen vor, darüber hinweg zu sehen - "diese Leute arbeiten eben an ihrer Karriere, sollen sie doch daran arbeiten, es gehört sich nicht, in anderer Leute Taschen zu gucken". Aber heute haben sich die kleinen politischen Ambitionen, die Unehrlichkeit, die Bereitschaftschaft zu Lügen und zu manipulieren in Blut verwandelt. Nicht in einen abstrakten “Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse”, sondern in völlig reale Tote und Verletze, unter denen, denen der Glaube an die Borot’ba kein Glück brachte, und unter denen, die ihnen im Weg standen.

Borot’ba wurde von der Fraktion der “Organisation der Marxisten” gegründet, die oft als stalinistisch charakterisiert wird. Sicher, sie liefen niemals mit Portraiten Stalins umher, und und nennen sich selbst ausschließlich Marxisten-Leninisten, und ihre Liebe zum Führer mit dem Schnauzbart konnten sie nur in einer betrunkenen Runde gestehen. Aber jede Ideologie wird nicht durch Deklarationen bestätigt, sondern durch die politische Praxis. Die Borot’bisten sind Stammhalter der “stalinschen”, sowjetischen politischen Schule. Die Anführer der Borot’ba stammen aus der Komsomol, manche von ihnen haben sich aktiv in der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) eingebracht. Und das spiegelt sich nicht nur in ihrer UdSSR-Nostalgie wieder, bei der sie sich aktiv für ihre Agitation bedienen, nicht nur in der positiven Bewertung des Sowjetregimes, sondern auch in ihrer inneren Organisationskultur, in ihrer Taktik, ihren Strategien und Zielen.

Borot’ba bemühte sich aktiv, den Aktivismus der nichtautoritären Linken auszunutzen, und Anarchist*innen als schlagende Kraft einzuspannen. Die ukrainischen Stalinisten versuchten, sich die Aktivität der studentischen syndikalistischen Gewerkschaft “Direkte Aktion” zuschreiben zu lassen, in dem sie deren Aktionen “squatteten” [besetzten, unterwanderten; der Üb.]. Leider war die Direkte Aktion lange Zeit wegen der Abwesenheit einer ideengebenden Plattform und dem Unwillen, eine harte Position einzunehmen, lange Zeit ein Spielball in den Spielen von Stalinisten, Trotzkisten, Liberalen und Nationaldemokraten. Als sie es nicht schafften, die Anarchist*innen zu betrügen und auf ihre Seite zu ziehen, wurden diese politischem Druck ausgesetzt - zur Anwendung kamen Lügen und Intrigen, wie auch Drohungen und offene Gewalt, die jetzt neue Maßstäbe erreicht hat. Während eines Zusammenstoßes in Charkow drangen die Borot’bisten zusammen mit russischen Nationalisten ist die besetzte Regionalverwaltung ein und schlugen die dort befindlichen Menschen zusammen, unter denen sich auch Anarchisten und antiautoritäre Linke befanden. Um ihre Gewalt zu legitimisieren, beschuldigten sie alle ihre Opfer, Mitglieder des “Rechten Sektors” gewesen zu  sein - genauso wie die Stalinisten in Spanien sowohl Anarchisten, als auch zum POUM [Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit; der Üb.] nicht loyale Marxisten als “Faschisten” bezeichneten.


Borot’ba-Zitat: “Man muss die Nichteingeweihtheit der Medien ausnutzen, die die Namen der verschiedenen Sekten verwechseln...”
# Borot’ba-Zitat aus einer Mail: “Man muss die Nichteingeweihtheit der Medien ausnutzen, die die Namen der verschiedenen Sekten verwechseln, damit alles, was an Linkem in der Hauptstadt passiert, ausschließlich mit uns assoziiert wird. Ja, dass ist Squatting fremder Aktionen, aber wir haben keine andere Möglichkeit. Tut mir leid für meine Direktheit, Genossen. Wenn ihr gute Kräfte habt irgendetwas zu squatten, dann muss man das tun, und ich sehe daran auch nichts Verurteilenswertes.” #


Leninismus als solcher ist eine radikale und autoritäre Variante der Sozialdemokratie, Stalinismus - eine noch autoritärere Entwicklung. In der heutigen Zeit sind die Stalinisten nicht von den Sozis zu entscheiden, an Feiertagen sprechen sie von der Revolution, aber ansonsten neigen sie zur Teilnahme an der bourgeoisen Politik. In der ukrainischen Realität bedeutet "bourgeoise Politik" nichts anderes als Populismus. Borot’ba ist gut darin, ihre Rhetorik an die jeweilige Zielgruppe anzupassen. Das erlaubt es ihnen, eine gemeinsame Sprache sowohl mit den russischen Nationalisten, als auch mit der naiven westlichen Linken und deren nicht besonders makellosen ukrainischen Kollegen zu finden. Als Sergej Kiritschuk in Deutschland vor den Libertarianern bei der Versammlung der “Hedonistischen Internationale” auftrat (einem Treffen linker Aktivist*innen und Künstler*innen, zu dem er geladen wurde, indem er die Organisatoren austrickste), kritisierte er die “Rechtsextremen und Monarchisten” in den östlichen [separatistischen; der Üb.] Republiken [der Ukraine], und unterstrich, die Borot’ba würde an zwei Fronten kämpfen, gegen die “russischen und ukrainischen Nazis”. Bei einem Auftritt vor weniger kritischen Zuhörern, wie Die LINKE oder “Antiimperialisten”, rief er auf, die “antifaschistischen Volksrepubliken” zu unterstützen, und die russischen Nazis verwandelten sich bei ihm in “Personen, die sich etwas verrannt haben, aber von den Ideen und ihrer Klasse den Antifaschisten nahestehen”.

In Abhängigkeit vom Adressaten der Botschaft, verwandeln sich die Borot’bisten entweder in “Kämpfer für den Frieden”, oder in “Kämpfer gegen die nicht-legitime faschistische Junta in Kiew”. Sie rufen ganz unschuldig dazu auf, dass beide Seiten des Konflikts ihre Waffen niederlegen sollen, gleichzeitig freuen sie sich aber über jeden Mikro-Sieg der Donezker Volksrepublik (DVR). Fast im Minutentakt veröffentlichen sie Meldungen, indem sie die “Volksrepubliken” unterstützen und kritisieren gleichzeitig gegenüber dem Publikum deren “konservativen Wende”, frohlocken über die Prügel für “Maidaner” in Charkow, ein paar Wochen später veröffentlichen sie eine Resolution, die Gewalt verurteilt, protestieren gegen den russischen Imperialismus, dann kritisieren sie wieder Putin für dessen “unzureichende Hilfe” für die Separatisten und fordern von ihm sogar den Einmarsch seiner Truppen! Borot’ba ist in der Lage, unschuldig Sexismus und Homophobie zu kritisieren, wenn sie ein linksintellektuelles Publikum im Auge haben, gleichzeitig aber ihre Reihen Konservative aufzunehmen, die homophobe, sexistische und antisemitische Rhetorik gebrauchen. Aber diesen Punkt sollte man separat betrachten.

Einer der ersten lauten Skandale, der mit Borot’ba verbunden war, und mit dem de-facto, auch ihre Geschichte begann, war die Anwendung von Gewalt durch ihren Aktivisten Wladimir Gurow gegen die Anarchistin K.P. (Name auf Wunsch der Betroffenen gekürzt) im Frühling 2011. Gurow war niemals formal Mitglied der Borot’ba, aber er war Stammgast bei ihren Aktionen und lebte bei ihren Aktivisten, und später - im Büro, sein Foto ziert einen der Borot’ba-Aufkleber. Das Mädchen schlug er kurz vor der offiziellen Gründung der Organisation zusammen. Die Motivation war sowohl sexistisch, als auch politisch motiviert (Gurow versuchte hartnäckig, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ohne Gegenseitigkeit; zudem regte er sich darüber auf, dass eine Frau sich erlaubte, ihm im politischen Streit zu widersprechen).

Nachdem diese Geschichte in der linken Szene bekannt wurde, distanzierten sich die Mitglieder der Borot’ba mit Worten von ihrem Mitstreiter, dessen Weste durch die Gewaltanwendung besudelt war, und sagten, er sei kein Mitglied ihrer Organisation. Sie rieten zynisch dazu, die Wahrheit mit Hilfe der Polizei zu suchen. Einige Zeit später lies er sich wieder in ihrem Büro nieder und fuhr fort, ihre Aktionen zu besuchen. Die Borot’bisten schoben ihn sogar als “Sprecher” einem Journalisten unter, der Arbeiteraktivist*innen interviewte, die gegen die Verzögerung von Lohnzahlungen bei dem Bau einer Brücke für die Euro-2012 protestierten. Die Organisation der linksliberalen Feministinnen “Feministische Offensive” erklärte Gurow und denen, die mit ihm zusammenarbeiten, ein Boykott, aber in der Praxis wurde dieses Boykott selbst von einigen seiner Initatiorinnen nicht eingehalten - die Teilnehmerinnen der Offensive schrieben Artikel auf der Seite “Liwa”, die unter der Kontrolle der Borot’ba stand, nahmen gelegentlich an Aktionen und Kampagnen zusammen mit Borot’ba teil, und pflegten bis zuletzt politische und freundschaftliche Kontakte zu den “nichtsektiererischen Linken”.

Anschließend trug sich eine ungeheuerlich sexistische Episode auch innerhalb der Borot’ba selbst zu. Die Aktivistin der Organisation Dar’ja Duschechkinu wurde von ihren eigenen Mitstreitern verfolgt, und mit Vergewaltigung und Gewalt bedroht, und schrieb daraufhin sogar eine Anzeige bei der Polizei. Auf der organisatorischen Ebene wurde diese Episode totgeschwiegen und verdrängt, Gespräche darüber waren nicht willkommen. Wiktor Schapinow versprach “diejenigen vom Newsletter der Organisation abzumelden, der ernsthaft anfängt, betrunkenen Unsinn zu diskutieren”. Der Konflikt endete damit, dass Duschechkina die Organisation verließ.


Borot’ba-Zitat: “Ich schlage trotzdem vor, separat ohne die Päderasten und andere unsaubere Gestalten zu gehen"
# Borot’ba-Zitat: “Ich schlage trotzdem vor, separat ohne die Päderasten [rus. Schimpfwort für männliche Homosexuelle; der Üb.] und andere unsaubere Gestalten zu gehen (sowohl physisch, als auch moralisch)… Wir müssen uns anstrengen, mehr Leute zu versammeln!” #


Homophobie ist für die Borot’ba keine Kernthema, eher eines der Attribute der “linken Konservativen”. Aber es gibt auch Ausnahmen: ein schillerndes Beispiel ist der Odessiter Aktivist Aleksej Albu (ein Abgeordneter, der in die Regionalversammlung über die Liste der KPU einzog), der dazu aufrief, LGBT-Aktivist*innen aus linken Aktionen zu vertreiben, diese angriff und dafür sogar bereit war, mit den Rechtsextremen zusammenzuarbeiten. Erst vor kurzem machte die Borot’ba durch Verbreitung homophober Agitation auf sich aufmerksam; um sich beim “Antimaidan” anzubiedern spotteten sie aktiv über den “Homo-Ljaschko” und verbreiteten Texte über diesen.

Um das Bild zu vervollständigen, fehlt vermutlich noch Rassismus und Antisemitismus. Aber auch diese besitzen ihren Platz im Lebenslauf der Borot’ba. Eben jener Aleksej Albu kritisierte den Aktivisten der “Linken Opposition” Michail Schtokal wegen “liberaler Tendenzen”, wies dabei vergnüglich auf die Hautfarbe seines Opponenten hin und nannte ihn im Newsletter der Organisation einfach nur “Neger”. In der Folgezeit griff er Michail tätlich an - organisatorische Maßnahmen wurden wegen dieses Vorfalls jedoch nicht beschlossen: Albu blieb einer der Anführer der Organisation. Ein paar Jahre nach diesen Äußerungen kooperieren die Borot’bisten aktiv mit den russischen Nazis der “Slawischen Einheit” und den Ultrakonservativen der “Rodina” [rus. Heimat; der Üb.], die Informationen darüber werden ohne Scheu auf der Webseite der Partei veröffentlicht. Aleksej selbst ruft die russischen Streitkräfte auf, auf Odessa zu marschieren.


Borot’ba-Zitat: “Wenn die russischen Truppen in die Region Odessa einmarschieren - dann werden wir leichter atmen können”
# Borot’ba-Zitat: “Wenn die russischen Truppen in die Region Odessa einmarschieren - dann werden wir leichter atmen können” #


Zweifellos veröffentlichte Borot’ba zu keinem Zeitpunkt antisemitische Erklärungen, ja, sie führte sogar einige konstruierte und populistische “Anti-Antisemitische” Aktionen durch. Aber gleichzeitig befand sich in ihren Reihen lange Zeit der bekannte Antisemit Aleksej Bljuminow, früherer Chefredakteur der Zeitung “Wechernij Lugansk” [Abendliches Lugansk; der Üb.], in der Auszüge aus den “Protokollen der Weisen von Zion” abgedruckt wurden. Dieser professionelle “politische Wetterhahn” verließ die Borot’ba, um den Maidan zu unterstützen, bereut dies allerdings inzwischen, unterstützt die [militante separatistische Organisation; der Üb.] Lugansker Volksrepublik (LVR) und versucht, die Beziehungen zu seinen alten Mitstreitern wieder aufzubauen.

Die Anführer der Borot’ba gingen auch nicht der Freundschaft mit Israel Schamir aus den Weg, einem rechten Fanatiker, der geradeheraus die Legende vom jüdischen Ritualmord verbreitet. Von Zeit zu Zeit tauchen auf der Seite von Borot’ba und in den sozialen Medien antisemitische Bilder auf. Sie werden schnell gelöscht, wenn sich ein Kritiker darüber aufregt, aber die Tendenz ist völlig klar. Sei es der “Zionistische Verräter” vor dem Hintergrund der israelischen Fahne, oder der “blutige Präsident Poroschenko” mit einer Minora auf dem Kopf - Borot’ba reproduziert bereitwillig die übelsten Darstellungen und Symbole.


Screenshot eines Borot’ba-Artikels, der durch eine antisemitische Karrikatur illustriert wird
# Screenshot eines Borot’ba-Artikels, der durch eine antisemitische Karrikatur illustriert wird #


Die Borot’bisten, die viel, gerne und aus Eigennutz über ihren “Antifaschismus” sprechen arbeiten in Wirklichkeit viel und fruchtbar mit nationalistischen Organisationen zu sammen, und zwar nicht nur mit pro-russisch gefärbten. Gerade sie waren es, die sich 2012 für die Teilnahme der loyal zu den Nationalisten stehenden Gruppen “Kommuna” und “Sturmkomitee” (Schturmowoj Komitet, SchK) an den Demonstrationen zum 1. Mai einsetzen. Heute haben sich die Aktivisten von Kommuna dem “Rechten Sektor” angeschlossen, und die damaligen Freunde vom SchK führen, wenn man den Worten des Borot’bisten Denis Lewin folgt, heute Angriffe auf ihre Aktionen durch. In Odessa arbeitete Borot’ba aktiv mit den Autonomen Nationalisten (“Avtonomnyj Opir”) zusammen.

“Antifaschismus” oder “Befreiungsnationalismus” sind für Borot’ba nichts mehr als Instrumente der politischen Manipulation: sie versuchen zu jedem Preis eine möglichst große Menschenmenge hinter sich zu versammeln, deren Überzeugungen spielen für die parlamentarischen Populisten überhaupt keine Rolle. Bei der einen Gelegenheit können sich die Borot’bisten unversöhnliche “Antinationalisten” nennen, bei einer anderen Gelegenheit appellieren sie an den nationalen Aspekt des “ukrainischen Bolschewismus” und interepretieren das wesentliche Erbe von Skrypnyk [Bolschewik und Leiter der ersten postrevolutionären Regierung in der Ukraine, Verfechter der ukrainischen Unabhängigkeit; der Üb.] und Chvylovy [ukr. Schriftsteller der frühen kommunistischen Periode; der Üb.] so, dass es ihnen selbst zum Nutzen gereicht.

Das verwundert auch nicht weiter, wenn man die politische Genesis der Borot’ba versteht, und weiß, an welche Zielgruppe sich diese wendet. Diese linke Alternative zur Kommunistischen Partei (KPU) versucht sich in erster Linie an das konservative, und häufig xenophobe Elektrorat zu wenden, das dieser Partei entstammt. Sie verzichten auf den offenen Klerikalismus und russischen Nationalismus ihrer älteren Brüder, aber sie können sich der Tolerierung von den Nationalisten und Konservativen “nahestehenden” Ideen nicht verweigern. Einer der wichtigsten Ideologen von Borot’ba, Wiktor Schapinow, arbeitete neben Projekten für die eigene Partei für verschiedenste andere Kräfte. Die Geschichte von den Wahlen in [der russischen Stadt; der Üb.] Gus-Chrustalny, wo Schapinow für “Einiges Russland” [Putins Partei; der Üb.] arbeitete, erhielten Kultstatus bei der postsowjetischen Linken. Und das waren auch längst nicht die einzigen Wahlen, bei denen sich die Borot’bisten hervortaten - sie verwendeten Resourcen der Organisation für negative PR bei den Wahlen in der Republik Transnistrien, wo sie gegen den Kandidaten Evgenij Schewchuk arbeiteten, dem sie “pro-Europäertum” vorwarfen. Etwas früher tat sich Wiktor Schapinow hervor, als er auf der Krim für einen der Anführer der KPU, Leonid Gratsch arbeitete, und ihm “neulinke” Losungen wie “Macht den Millionen, aber nicht den Millionären” verkaufte. Man muss berücksichtigen, dass Grach, obwohl er sich von Symonenko [dem ersten Generalsekretär der KPU; der Üb.] distanziert hatte, indem er ihm “Abkehr vom Marxismus” vorwarf, sich selbst keinen Deut vom Mainstream der KPU unterschied, was deren klerikale und pro-russischer Einstellung anging.

Wie oben bereits gesagt, muss man die Geschichte der Borot’ba vom Frühling 2010 an betrachten. Ungefähr zu dieser Zeit machte Kiritschuks Karriere beim “Mironower Brotprodukt” rasche Fortschritte und er wandte sich aktiv seiner Tätigkeit bei der Organisation der Marxisten zu. Vorher zähle er, wie viele andere nur zu den Karteileichen. Aber Mitgliedschaft im politischen Kreis, die Beschäftigung mit theoretischen Diskussionen und aufklärerischen Veranstaltungen entsprachen nicht dem Maßstab von Kiritschuks Ambitionen. Es kam die Idee auf den Tisch, eine Partei zu gründen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Fokus auf Parteiengründung im Großen und Ganzen in der OM mit Wohlwollen aufgenommen. Die mandelistische Fraktion wurde durch die Versprechungen Kiritschuks einer “breiten linken Partei” und “dem Werben um linksliberale Bündnispartner” angezogen.

Aber für eine Partei benötigt man Geld. Und man fand diese Gelder mit Hilfe der Verbindungen zu alterglobalistischen Bewegungen. Der Organisation der Marxisten gelang es, an einigen Veranstaltungen teilzunehmen, zu deren größten das Europäische Sozialforum 2008 in Malmö zählte, wo man Kontakte zu Aktivist*innen und Funktionär*innen der Linken Partei Schwedens, und auch des Internationalen Linken Forums knüpfte - eine parteinahe Stiftung, die mit der schwedischen Linken Partei so verbunden ist, wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der deutschen Linken.

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