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Dienstag, 24. Dezember 2013

Wer steckt hinter Hartz IV ? - Die Ghostwriter der Hartz Kommission von Helga Spindler

Wenn heute an die Übergabe des Berichts: „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ im
Französischen Dom in Berlin erinnert wird, dann denken viele spontan an Hartz IV, das neue
Grundsicherungssystem, in das Millionen Menschen mit Partnern und Kindern ohne
Rücksicht auf Qualifikation und Berufserfahrung hineingepresst werden und das
Hunderttausende in unterwertige Arbeitsplätze gezwungen hat, ohne ihnen sozialen Schutz zu
bieten. In der Tat hat die Kommission einige Dämme zur Regulierung am deutschen
Arbeitsmarkt eingerissen und eine Sozialbehörde zum datenfressenden Controlling- und ITMonster
pervertiert“1 und sie hat mit Modul 6: „Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
zusammenführen“ und Modul 3 mit dem etwas zynischen Titel : Neue Zumutbarkeit und
Freiwilligkeit“ die Stichworte für Hartz IV gegeben, aber eben nur die Stichworte. Auch hat
sie diese mit teilweise anderen Vorstellungen über die Umsetzung verbunden, was letztlich
die Öffentlichkeit besonders raffiniert getäuscht hat in Bezug darauf, was mit Hartz IV und
nicht zu vergessen auch mit der deutlichen Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung in
Hartz III auf sie zukommen sollte.
Schon immer war auffällig, dass diejenigen, die die damaligen Vorgänge erforschen, weniger
auf die Analyse von öffentlich zugänglichen Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf
die Auswertung von Insider- Informationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der
damaligen Zeit, angewiesen waren. Diese Untersuchungen sind inzwischen ergänzt durch die
Arbeit von Anke Hassel und Christof Schiller, 2 die wiederum Insider interviewt haben, die
mit zunehmendem zeitlichen Abstand auch immer unbefangener geplaudert haben. Sie
absolvierte 2003/2004 einen Forschungsaufenthalt in der Leitungs- und Planungsabteilung
des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit von Minister Clement, wo sie eigentlich an einer
Analyse der Grenzen deutscher Reformkapazität arbeiten wollte. Ihre Beobachtungen zur
Entstehung von Hartz IV haben sie jedoch von der „Reformfähigkeit“ des deutschen
Sozialstaats und insbesondere der Ministerialbürokratie überzeugt. Sie betrachtet die
Vorgänge allerdings weniger kritisch aus demokratischer, rechtsstaatlicher oder gar sozialer
Sicht, sondern mit einer gewissen Faszination für das strategische Arbeiten der Bürokratie,
wo sie einen neuen Typ politischer Unternehmer erkennt, also aus einer Elitenperspektive.
Jetzt ist sie Professorin für Public Policy an der privaten Hertie School of Governance in
Berlin und dort Kollegin von Jobst Fiedler, der 2004 zum Professor für Public and Financial
Management ernannt wurde und als Mitglied der Hartz- Kommission noch in Diensten der
Unternehmensberatung Roland Berger stand.
Aus ihren Informationen ergibt sich kurz gesagt: Speziell Hartz IV und die verbliebene Rest-
Arbeitslosenversicherung und Rest- Sozialhilfe haben wir nicht in erster Linie der Hartz
Kommission oder gar dem Namensgeber Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern , einer
geheimen Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen Hintergrundarbeit
aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem Bundeskanzleramt, einverständlich
koordiniert und gelenkt durch die Bertelsmann Stiftung .
Hassel schreibt in dem Kapitel „Stunde der Reformer“, dass es Anfang 2002 bereits „einen
Kern verantwortlicher Politiker und Beamter“ gegeben habe, „die die Probleme am
Arbeitsmarkt in ähnlicher Weise interpretierten und den Vermittlungsskandal nutzen wollten,
1 Vergl. dazu: Stunde der Technokraten in Junge Welt vom 22.2.2012
2 Hassel/Schiller: Der Fall Hartz IV, 2010 auch im Netz: diess: Die politische Dynamik von
Arbeitsmarktreformen in Deutschland am Beispiel der Hartz IV- Reform, Abschlussbericht für die Böckler
Stiftung, 2010
um ihre Reformvorschläge durchzusetzen“. „Tragende Akteure“ dieses Prozesses seien im
Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres
gewesen. Walter Riester erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an ein Gespräch mit
Steinmeier:
„Walter , wir müssen das eigentlich mit einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen
jetzt vor der Bundestagswahl .Und seine [ Steinmeiers ] erste Vorstellung war, McKinsey
einzusetzen.“ Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey
Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich „Public Sector“ und Promoter für
technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung, den er 2008 für sein Wahlkampfteam
engagierte und der bis heute IZA Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert Stiftung
und in der SPD und ihrem Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für sas
Beratungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier teilte diese Vorliebe für die „Meckis“ mit Peter Hartz, der aber wegen
gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey- Direktor Peter Kraljic für seine Kommission
vorzog. Später stießen Florian Gerster (heute ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert
Stiftung und in der SPD, IZA Policy Fellow, Präsident Arbeitgeberverband Briefdienste,
Botschafter INSM und Unternehmensberater ; damals kurzzeitig Vorstandsvorsitzender der
Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement ( heute konsequent bei der FDP) zu dieser
Gruppe.
Gerd Andres nutzte die Stunde unter dem noch unerfahren Minister Riester, der sich zudem
mehr für die Alterssicherung interessierte, um die zuständige Abteilung mit jungen und
einschlägig ausgewählten Mitarbeitern wie Abteilungsleiter Bernd Buchheit aus NRW und
weiteren Referatsleitern neu zu besetzen. Buchheit sorgte dafür, dass die Zuständigkeit für
Sozialhilfe vom Gesundheitsministerium schnell ins BMA verlegt wurde. Das alles ist für sich
genommen noch nicht anstößig. Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von
demokratischer Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet.
Denn man baute nichtöffentlich mit der Bertelsmann Stiftung einen Arbeitskreis: „Reform
der Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ auf, der dann an zentraler Stelle an der Politikformulierung
beteiligt wurde. Ich selbst war dem breiten Akteursgeflecht, das die Öffentlichkeit nicht so
wahrgenommen hatte, nur mit viel Mühe auf der Spur gekommen, als ich den Aktivitäten der
Bertelsmann Stiftung und der von ihr beauftragten Mitarbeiter ( Frank Frick, Werner
Eichhorst, Helga Hackenberg ) nachging,3 deren Dokumente nur teilweise zugänglich und
dann plötzlich auch im Netz verschwunden waren.
Dies wurde verzahnt mit einem weiteren Bertelsmann Projekt: BiK –
„Beschäftigungsförderung in den Kommunen“, wo schon in Sozialhilfezeiten kommunal mit
Workfare Modellen experimentiert wurde und die Popularisierung von Workfare
Entwicklungen in USA /( Wisconsin), Großbritannien und Niederlande betrieben wurden –
Experimente auf die auch Roland Koch von der CDU schon ein Auge geworfen hatte und die
öffentlich zu diskutieren ein parteipolitisches Risiko geworden wäre.
Allerdings war über den Arbeitskreis kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Vertreter des
BMA und des Kanzleramtes waren darin, aber auch Vertreter aus Länderministerien, vor
allem aus dem federführenden Bundesland NRW, Vertreter von Kommunalverwaltungen,
Heinrich Alt von der BA , Martin Kannegießer von Gesamtmetall und sogar Wilhelm Adamy
vom DGB. Die Arbeitsgruppe wurde bewusst nicht beim BMA angesiedelt, was ein
Mitarbeiter so begründete: „Wenn wir als BMA einen Gesprächskreis institutionalisieren und
dazu einladen.... dann kommen die alle mit ihren institutionellen Hüten und wir kriegen keine
Debatte“. Anke Hassel schreibt mit Bezug auf von ihr interviewte Beteiligte:
3 Helga Spindler, War auch die Hartz -Kommission ein Bertelsmann Projekt? in: Wernicke/Bultmann,
Bertelsmann- Netzwerk der Macht, 2007, nachgedruckt bei www.nachdenkseiten.de vom 23.9.2009
„Die politischen Parteien und Bundestagsabgeordnete waren im Arbeitskreis nicht vertreten.
Nach der Einschätzung eines Beteiligten, hatte sich in den Parteien in dieser Frage niemand
profiliert. Wesentliche Spielregel des Arbeitskreises war, dass alle Mitglieder nur als Person
und nicht als Vertreter einer Institution auftraten. Eine Voraussetzung dafür war, dass keine
Einzelheiten und Ergebnisse publik werden sollten.
Ein anderer Teilnehmer erinnert sich:“ Hier konnte man als Privatmann sprechen.“ Die
Auswahlkriterien für den Teilnehmerkreis waren zum einen Kenntnis der Probleme der
Arbeitsverwaltung, zum andern die individuelle Bereitschaft, über institutionelle Reformen
nachzudenken.... Alle Teilnehmer waren dafür bekannt, offen für Kompromisse und neue
Ideen zu sein. Da es sich bei dem Arbeitskreis um einen geschlossenen Kreis handelte, bei
dem Sitzungen weder dokumentiert noch publik gemacht wurden, konnten Kompromisse
über Parteigrenzen und institutionelle Restriktionen hinweg ermöglicht werden. Die
Bertelsmann Stiftung stellte dafür die (finanziellen) Projektressourcen und die
wissenschaftliche Expertise zur Verfügung und organisierte Studienreisen. Die Initiative
sowie die Themensetzung kam jedoch aus dem BMA in Person von Bernd Buchheit, dem
Abteilungsleiter der Abteilung II Arbeitsmarktpolitik. “
Der Arbeitskreis traf sich zu Workshops an abgelegenen Orten und führte dort offene
Debatten über die Fehlentwicklungen der Arbeitsmarktpolitik..... Bald erschien die
Zusammenlegung der beiden Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe als die „einzig
gangbare Lösung in der Arbeitsmarkpolitik“ Der DGB Vertreter wehrte sich zwar dagegen,
konnte sich aber nicht durchsetzen. Spätestens dann hätte die Überlegung öffentlich gemacht
werden müssen.
Wurde es aber nicht, im Gegenteil:
die Lösung wurde bereits als alternativlos gehandelt. Die Gruppe trat dann während der
Arbeit der Hartz- Kommission mit einer Empfehlung an die Öffentlichkeit, aber getarnt als
„Kommission von unabhängigen Sachverständigen“ eines Projekts der Bertelsmannstiftung,
nicht als das maßgebliche Geheimgremium des Ministeriums. Schon im März 2002 preschten
Gerster zusammen mit Clement mit der Forderung nach Zusammenlegung von
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau und Einschnitten bei der
Arbeitslosenversicherung nach vorne. Die beiden vertraten ihre Ideen wenigstens nach außen.
Aber die Öffentlichkeit sollte noch nicht verschreckt werden, deshalb wurde der Plan
zunächst wieder dementiert, nur um verdeckt weiterarbeiten zu können. Der zaudernde
Riester wurde zurückgedrängt. Überstürzt und mit kurzem Zeitfenster wurde die Hartz
Kommission einberufen.
Da man sich vor Beginn der Arbeit der Kommission im BMA bereits auf die
Zusammenlegung der beiden Systeme geeinigt hatte, sollte dieser Punkt nicht im
Vordergrund der Kommission stehen, sondern man verwies sie auf die Bertelsmann
Arbeitsgruppe und deren Konsens:„Daher bestand dann unter den Mitgliedern der
Kommission schnell Einigkeit darüber, dass es zu einer Zusammenlegung der Systeme keine
Alternative gäbe.“ Klar, bei so viel Vorarbeit!
Fast alle Vorschläge, die in das Teilprojekt II der Kommission: Lohnersatzleistungen und
Sozialhilfe ( Mitglieder waren Isolde Kunkel Weber, Wolfgang Tiefensee, und Harald
Schartau ) eingespeist wurden, kamen aus dem BMA. Buchheit und Gerster wirkten in der
Kommissionsgruppe mit ohne Mitglieder zu sein. Dabei wurde offenbar schon über die von
einigen klar formulierte Abschaffung und Kürzung gestritten, denn es jagten sich zeitweise
Pressemeldungen, Dementis und Beschwichtigungen nach dem Muster: „Niemand hat die
Absicht, eine Mauer zu errichten“
Aber zumindest das allgemeine Konzept der Zusammenlegung möglichst noch ohne die
Einzelheiten, musste unbedingt in den Abschlussbericht. Sonst “haben wir [ das BMA; Anm.
der Autoren ] in der nächsten Legislaturperiode keine Chance. Das war schon Absicht“ ,
zitieren Anke Hassel und Christof Schiller einen Mitarbeiter des BMA. Der Berichtsentwurf
der Teilgruppe der Kommission wurde praktischerweise gleich im BMA ausgearbeitet. Wie
man jetzt erkennt, war es Kalkül, dass der Kommissionsbericht was die Zusammenlegung
anging sehr vage blieb und sogar die Beibehaltung der Arbeitslosenhilfe vortäuschte.
Hauptsache, einen Monat vor der Bundestagswahl war das heimlich vorbereitete Thema
endgültig auf der Regierungsagenda. Auch die strategisch konformen Berichterstatter im
Parlament, Brandner ( SPD) und Dückert ( Grüne)behaupteten, eingeweiht gewesen zu sein
und Laumann (CDU) und Niebel (FDP) waren sowieso der Meinung, sie hätten die konkreten
Einschnitte schon lange gefordert.
So wirkte die Kommission als Legitimationsaufkleber für eine Gruppe, die längst alles
vorbereitet hatte. Und jetzt kommt das wörtliche Zitat eines der Akteure aus dem BMA: “Wir
haben das als Kuckucksei der Hartz -Kommission untergeschoben“ Die gleichen Personen
haben dann unter Minister Clement alle angedachten Rechtspositionen für Arbeitslose aus den
Entwürfen gestrichen, und parlamentarischen Widerstand mit willkommener Hilfe der
Opposition ausgebootet.
Die „Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ war für sie von Anfang an die
Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, erheblichen Leistungsabbau in der
Arbeitslosenversicherung und ein neues System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr
dem Ziel der Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet ist, -
was letztlich auch einer Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe gleichkam. Die damals
durchaus vorhandenen Schwachstellen bei der Verwaltung von Leistungen für Arbeitslose
hätte man auch ohne eine Systemänderung beheben können. Konzeptionell zwingend war die
Abschaffung der Arbeitslosenhilfe nur für diejenigen, die den Druck auf arbeitserfahrene und
deshalb oft selbstbewusstere und etwas teurere Arbeitslose verschärfen wollten.
Dass ausgerechnet die Servicewüste Jobcenter, in der Dokumente und Akten unauffindbar
sind, in der Mitarbeiter verheizt werden und wechseln wie im Taubenschlag, sich ohne
Telephonnummer im „Back-office verschanzen und unlesbare Bescheide verschicken müssen
und wo aus den unterschiedlichsten Gründen inzwischen eigentlich auf beiden Seiten des
Schreibtisches Begleitschutz organisiert werden muss- dass das vor 10 Jahren ausgerechnet
unter dem Stichwort: “Moderne Dienstleistungen“ der staunenden Bevölkerung empfohlen
wurde, das war schon ein Coup der Unternehmensberaterbranche, den man mit feinem Gespür
für das Machbare auf wehrlose Arbeitslose konzentriert hat.
Offen und ehrlich ist über die Zusammenlegung , ihre Vor- und Nachteile, parlamentarisch
nie richtig gestritten worden. Das muss nachgeholt werden. Und da reicht nicht ein
einfaches:“ Hartz IV muss weg,“ sondern es geht um eine Alternative, die dafür einen
verlässlichen Rahmen setzt. Die ist jedoch schwer zu erkennen, wenn diese Gesetzgebung
selbst in Gewerkschaftskreisen immer noch als „Vorwärtsreform“ und als sozialer Fortschritt
bezeichnet wird. Wenn der linke Sozialdemokrat Lauterbach noch 2008 doziert „Links ist, für
die zu kämpfen, denen es am schlechtesten geht. Und das sind in unserer Gesellschaft die
Armen ohne Arbeit. Diese Menschen sind nicht organisiert, gehören keiner Gewerkschaft an.
Sie haben kein Sprachrohr , keine Lobby. Diese Männer und Frauen waren vergessen. Für sie
haben wir Arbeit geschaffen, keine perfekte Arbeit, keine gut bezahlte Arbeit, aber immerhin
Arbeit. Diese Reformen waren ein linkes Projekt,“
So lange selbst in rot-rot geführten Bundesländern genauso bedenkenlos mit Sanktionen
hantiert und Beratung und qualifizierte Förderung verweigert wird, wie im CDU geführten
Hessen und die Zwangszuweisung in unterbezahlte geförderte Beschäftigung als Erlösung
von Arbeitslosigkeit gefeiert wird. Es besteht eher die Gefahr, dass Kurt Biedenkopf Recht
behält, der schon im Januar 2005, keinen Monat nach der Einführung, Hartz IV als Erfolg
feierte, der ihm zeige, „dass Widerstände organisierter Besitzstände weit weniger gefährlich
sind , als es den Anschein hatte...“ „Wenn die Leute nur geführt und überzeugt werden, dann
akzeptieren sie die Veränderung und richten sich ein.“„Gefährliche organisierte Besitzstände“
das waren im Klartext: sozialversicherte Arbeitnehmer und Arbeitslosenhilfeberechtigte.
Manche wollen ein bedingungslose Grundeinkommen einführen und glauben, die Probleme
seien damit gelöst. Die Geschichte von Hartz IV zeigt, dass die entschlossenen Reformakteure
sehr wohl in der Lage wären, diesen Wunsch aufzunehmen. Sie würden zunächst die
Zusammenführung von Sozialversicherung und Grundsicherung als Projekt auflegen und die
unzweifelhaften Ersparnisse durch den ersatzlosen Wegfall von Sozialbehörden und -
versicherungsbeiträgen durchrechnen lassen und dann die Zusammenlegung von
Verwaltungs- und Sozialgerichten und später mit den Finanzgerichten angehen, weil das
Finanzamt ohne sozialstaatlichen Auftrag den dann nicht mehr an die Existenzsicherung und
Menschenwürde gekoppelten Betrag mit der Steuer unters Volk bringen kann.
Der erwünschte Freiheitsgewinn würde allerdings deutlich getrübt, weil die noch massenhaft
vorhandenen einfachen und unattraktiven Arbeiten noch billiger in Leiharbeits- und
Beschäftigungsfirmen erledigt werden müssten und könnten und man den „vergessenen“
Arbeitskräften ein wenig Aktivität zum Erhalt ihrer Employability in ihrem
wohlverstandenen Interesse aufnötigen muss. Erfahrungen mit dem Einschleusen solcher
Kuckuckseier hat man ja genug.
Es ist, aller Propaganda zum Trotz, nicht rückwärtsgewandt, neben Mindestlohn und
veränderter Zumutbarkeit, Erweiterung der Arbeitslosenversicherung und Reduzierung des
Sperrzeitwildwuchses eine zumindest befristete Wiedereinführung der Arbeitslosenhilfe zu
fordern. Sie war nie besonders hoch, eröffnete aber viele Gestaltungsmöglichkeiten und
vermittelte eine gesichertere Rechtsposition. Auch geförderte Beschäftigung muss wieder
versichert sein. Die Kommunen, die das als Verschiebebahnhof missbrauchen, müssen
anderweitig zur Kasse gebeten werden, genauso wie andere, die befristet einstellen.
Apropos: Warum eigentlich im Französischen Dom ? Der wird von der evangelischen
Akademie bewirtschaftet und deren damaliger Akademiepräsident und EKD Ratsmitglied
Robert Leicht hatte zur Präsentation vor 500 geladenen Gästen ausdrücklich eingeladen. Er
sah eine tiefe Verwandtschaft der Arbeit der Kommission zur protestantischen Arbeitsethik
und zu der Aufgabe der Akademie , „der Politik neues Gelände zu roden- vor allem dort wo
sie sich im Unterholz der Interessen und Besitzstände ratlos, manchmal sogar rastlos und
restlos festgefahren hat“ Das klingt ähnlich wie bei der Bertelsmann Stiftung, die ebenfalls
großes Mitgefühl für die sozialpolitische Verpflichtung der armen Politiker hat. Sie spricht
dann von der institutionell verkrusteten und lobbyistisch unterwanderten Republik und von
der hemmungslosen Interessenpolitik, in der Parteiapparate und politische Stiftungen
erstarren. Warum sagte der in seinem andern Berufsleben wirtschaftsliberal profilierte Zeit-
Journalist Robert Leicht nicht gleich: „im Unterholz des sozialen Rechtsstaates und des
kollektiven Arbeitsrechts festgefahren“ ? Wo er doch 2004 bedauerte, dass Hartz IV nur den
direkten Druck auf die Arbeitslosen aber nicht auch auf die Tarifpartner bewirke. Dann hätte
man vielleicht schon bei diesem Festakt ahnen können, was kommen wird.

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